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Im Tal der flammenden Sonne - Roman

Titel: Im Tal der flammenden Sonne - Roman
Autoren: Elizabeth Haran Sylvia Strasser Veronika Duenninger
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du willst. Dann ruh dich aus, mein Schatz. Morgen werden wir in aller Frühe in Alice Springs eintreffen, hat der Zugführer gesagt.« Clarice küsste ihre Tochter auf die bleiche Wange und eilte hinaus. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie Arabella allein ließ, doch sie spielte für ihr Leben gern Rommé. Außerdem würde es ihr guttun, endlich einmal etwas anderes zu hören als das Gejammer ihrer Tochter.
    Als die Tür sich hinter ihrer Mutter geschlossen hatte, legte Arabella sich hin und suchte die endlose Weite des blauen Himmels nach einer Wolke ab. Müde von der Hitze und dem monotonen Rattern des Zuges, nickte sie nach kurzer Zeit ein.
     
    Arabella fuhr aus dem Schlaf, als der Zug mit einem Ruck zum Stehen kam. Sie setzte sich auf und blickte aus dem Fenster, doch es gab nur die schier endlose Wüste zu sehen, die in der unbarmherzigen Hitze lag. Arabella schob den Vorhang der Abteiltür zurück und spähte durch das Fenster auf der anderen Seite des Waggons, aber auch hier bot sich dem Auge nichts als Sand und Gänsefußsträucher. Anscheinend waren sie doch noch nicht am Ziel der Reise, wie Arabella insgeheim gehofft hatte. Als niemand kam, um ihr zu sagen, was es mit dem Halt auf sich hatte, streckte sie den Kopf neugierig zum Fenster hinaus. Im Reisezugwagen weiter vorn hatte sich ein Mann mittleren Alters ebenfalls aus dem Fenster gebeugt. Arabella hörte, wie er zu jemandem im Innern sagte: »Da liegt ein totes Tier auf den Gleisen. Es muss fortgeschafft werden. Und der Wind hat Sand auf die Schienen geweht.«
    Das Tier, ein großes Kängurumännchen, das offenbar im Kampf mit einem anderen Männchen tödliche Verletzungen davongetragen hatte, wurde von den Schienen gezerrt. Doch es würde sehr viel länger dauern, den Sand von den Gleisen zu schaufeln.
    Die Zeit verstrich unendlich langsam, und Arabella wurde unruhig. Die Sonne sank tiefer, die Schatten wurden länger. Wenigstens war es nicht mehr so glühend heiß. Als Arabella den Blick träge über die Landschaft schweifen ließ, fiel ihr eine ungewöhnliche Blume nur wenige Meter vom Zug entfernt auf. Die Blüte war leuchtend rot und in der Mitte tiefschwarz. Arabella liebte Blumen, und eine wie diese hatte sie nie zuvor gesehen. Inmitten der dürren Gänsefußsträucher wirkte sie wie ein kostbares Juwel. Arabella überlegte, ob sie aussteigen und die exotische Blume pflücken sollte, verwarf den Gedanken aber. Es war zu gefährlich; schließlich konnte der Zug jeden Moment weiterfahren.
    Fünfzehn lange Minuten vergingen. Allmählich senkte sich die Dämmerung herab. Noch immer zog die wunderschöne Blume Arabellas Blick wie magisch auf sich. Schließlich stand sie auf und spähte in den Korridor hinaus. Niemand war zu sehen. Sie eilte die paar Schritte bis zur Waggontür und öffnete sie. Bis zu der Blume waren es höchstens vier Meter.
    Die habe ich schnell gepflückt, sagte sich Arabella. In fünf Sekunden bin ich wieder im Zug. Und falls er doch vorher anfährt, kann ich immer noch aufspringen. Da sie Pantoffeln trug, würden ihr weder die Steine im roten Wüstensand noch die kleinen Dornensträucher etwas anhaben können. Eine Hand auf dem Geländer, trat sie auf die oberste Holzstufe des Einstiegs. Als sie den Fuß auf die nächste Stufe setzen wollte, verfing sie sich in ihrem langen Nachthemd, verlor das Gleichgewicht, musste den Handlauf loslassen, um sich nicht den Arm zu verdrehen, und landete unsanft im Sand neben der Bahnstrecke. Instinktiv stützte sie sich mit einer Hand ab und fasste dabei in dorniges Gestrüpp.
    »Autsch!« Ein heftiger Schmerz fuhr Arabella durch den Fußknöchel und die Hand, der ihr die Tränen in die Augen trieb. »Verflixt!«
    Plötzlich stieß die Lokomotive fauchend Dampf aus, und der Zug fuhr ruckend an.
    »O nein!« In Panik versuchte Arabella aufzustehen, doch der Knöchel, mit dem sie umgeknickt war, gab nach, und ihre Handfläche pochte vor Schmerz. »Halt! O Gott … halt!«, schrie sie verzweifelt. Trotz der Schmerzen rappelte sie sich hoch und hinkte zum Zug, doch der Einstieg mit dem Handlauf war bereits zu weit weg, und es gab nichts, woran sie sich hätte festhalten können. Der Zug gewann an Fahrt, und Arabella musste hilflos mit ansehen, wie die letzten Waggons an ihr vorbeirumpelten. Da es sich um Güterwaggons handelte, gab es niemanden, der sie bemerkte oder den sie hätte auf sich aufmerksam machen können. Schlimmer noch – niemand wusste, dass sie den Zug verlassen
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