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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein
Autoren: Clemens Meyer
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offen.«
    Da hab ich den tatsächlich zusammenbekommen. Und dabei vergesse ich Witze eigentlich sofort. Herr Doktor, ich bin dreiunddreißig, und mein Alzheimer ist geheilt.
    Ich gehe zurück ins Behandlungszimmer, und da hat der grüne Welpe doch tatsächlich wieder einen Ständer. Hast wohl heimlich gewichst, du Schlingel, damit sich der Stundenservice lohnt. »Bläst du ihn noch mal, bitte.«
    Oha! Ein kleiner Kavalier, der das Wörtchen »Bitte« kennt. Nette Umgangsformen am Arbeitsplatz verbessern das Betriebsklima. »Na klar«, sage ich und rolle ihm einen Gummi drauf. Er stöhnt schon wieder, da habe ich ihn noch gar nicht richtig in der Hand. Dann küsse ich ihn, also seinen verpackten Schwanz, und dann fickt er mich, er liegt auf mir und ist ganz aufgeregt und zittert fast. »Ist’s gut so«, fragt er, »ist’s gut so?«
    »Ja«, sage ich, »du machst das wunderbar. Besorg’s mir richtig.«
    Und da will er mich doch schon wieder küssen, und ich drehe meinen Kopf weg, und er streift mit seinem Gesicht über meine Schultern, meinen Hals. Dann ist er plötzlich fertig, so plötzlich kam das für mich aber nicht, denn ich hab über seinen Rücken nach seinen Eiern gegriffen, und er wird steif wie ein Brett, und von der Stunde, für die er bezahlt hat, ist grad mal eine halbe um.
    Ich streiche über meine Pussy, die ist schon etwas geschwollen, denn Welpe ist Nummer 5. War ’n guter Tag heute. Und es wird erst langsam Abend. Ich muss mehr Gleitgel nehmen. Gestern war ich fast den ganzen Tag alleine. Nur ein Feierabendrammler um sechzehn Uhr. Der ist für hundertfünfzig geblieben, und damit war meine Wochenbilanz wieder o.k. Und heute wird wieder in die Hände gespuckt, ich steigere mein Bruttosozialprodukt. Eigentlich wollte der NS-Jürgen gestern kommen. Dieser Arsch ist echt unzuverlässig. NS-Jürgen, so hab ich ihn in meinem Arbeitshandy gespeichert, und wenn ich das Leuten erzählen würde, was ich natürlich nicht mache, Diskretion ist alles, so rum und andersrum, die würden bestimmt fragen: »Was, der Nazi-Jürgen?«
    Nee, nix Nazi. Natursekt. Der legt sich in die Badewanne, und ich pisse auf ihn drauf. Dann wichst sich der Jürgen einen ab. Schnelles Geld, aber ich muss immer literweise Tee trinken, weil ich nämlich ’ne ganz gute Blase habe, und danach ist immer Großreinemachen angesagt in der Badewanne. Essig ist das Beste. Und baden tu ich nur zu Hause.
    Der Junge wälzt sich von mir runter und kuschelt sich an mich. Ich steh nach ’ner Weile auf, und er rollt sich zusammen. Welpe eben. Und ich reiß was von der Zewa-Küchenrolle ab, ich sollte Werbung machen für die, »Für jeden Schuss, das beste Tuch! Und kein Tropfen geht daneben!«, und zieh ihm das Kondom runter und mache seinen Schwanz sauber. Nehme ein Hygienetuch aus dem Spender. »Du bist …«
    »Ja, ja«, will ich sagen, lasse es aber dann. Gästepflege. Und ich geb ihm ’n Klaps aufn Arsch, und er spielt sich schon wieder an seinem schlaffen Schwanz rum. Lass dir bloß Zeit, Rambo.
    Ich knülle das Papier mit dem Gummi drin zusammen und werfe es in den kleinen Mülleimer. Der Deckel öffnet sich, wenn ich den Fuß auf das kleine Pedal stelle. Ich gehe ins Bad und wasche mir wieder die Hände. Und dann liege ich wieder neben ihm und rauche. Der Ascher steht auf dem Nachttisch. Ich biete ihm eine an. Mache ich eigentlich nie. »Danke«, sagt er und nimmt das Feuerzeug. Er hustet kurz, als er den Rauch ausstößt. Komm nur öfters zu Mutti, Jungchen, das kriegen wir schon hin. Wir liegen eine Weile rum und schweigen. Manche fangen ja ohne Ende an zu quatschen, wenn sie fertig sind und noch viel Zeit auf der Stechuhr ist. Andere können gar nicht schnell genug in die Klamotten rein, wenn der Gummi voll ist. Viele zahlen ja nur für eine Nummer. Hat alles seine Vor- und Nachteile. Endlosschleife in meinem Kopf.

    Der Junge ist noch keine zehn Minuten weg, da habe ich schon fast wieder vergessen, wie er aussah. Blond? Nee. Egal. Hat er mir links und rechts einen Kuss auf die Wange gegeben, bevor er gegangen ist? Ja, hat er.
    Vielleicht kommt er ja wieder. Wär ’n netter Stammgast. Aber ob nett oder fett … Am Abend geh ich nach Hause. Wenn alle so wären, wär’s einfach. Im Prinzip isses das auch. Wenn der Chef sich mal zur Ruhe setzt, und man hört ja so einiges, da bewegt sich wieder einiges, die Engel und so, dann könnt ich woanders arbeiten. Bis ich mich auch zur Ruhe setze. Aber vorerst geht’s weiter. Egal wo, egal
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