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Im Sog der Gefahr

Im Sog der Gefahr

Titel: Im Sog der Gefahr
Autoren: Toni Anderson
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Aufmerksamkeit zu gewinnen, und hielt ihn in der Nähe der Ausstiegsluke, damit sie sich in der samtenen Schwärze, die sie umgab, nicht verirrten. Panik würde sie genauso sicher umbringen wie fehlender Sauerstoff, und er hatte nicht vor, auf diese Art zu sterben. Wie ein Asthmatiker rang Thom nach Luft, seine Augen traten hervor, weil er glaubte, ersticken zu müssen – ein Gefühl, das Finn nur zu gut kannte.
    Bei Nullsicht hievte er seinen Partner durch die Luke. Das verbogene Wrack schien sie erdrücken zu wollen, erstickend und unheilvoll erschwerte es jede Bewegung.
    Das war die Gefahr beim Wracktauchen. Man musste mit dem Unerwarteten rechnen. Sie rumpelten die enge Treppe hinauf. Mit jedem Moment der Hektik wurde mehr Sediment, mehr Schlick aufgewirbelt, der sie einhüllte und jedes Lichtteilchen, jeden Rest von Form und Gestalt verschluckte.
    Inzwischen hörte er sein Herz lauter in seinen Ohren dröhnen, immer noch gleichmäßig, aber durch den
Ach-du-Scheiße
-Faktor intensiviert. Ihre Lampen waren nutzlos geworden. Finn musste sich auf seinen angeborenen Orientierungssinn verlassen, während er sich vorwärtstastete. Mit eisernem Griff hielt er Thom fest, während er sich seinen Weg aus dem Treppenschacht und durch das Steuerhaus bahnte und schließlich das Wrack hinter sich ließ. Als sie ins offene Wasser kamen, lichteten sich die Sedimente. Noch immer waren sie von Dunkelheit umgeben, aber diese war anders. Weniger bedrückend. Weniger klaustrophobisch. Eilig schleppte er Thom zu der Rundumleuchte, die den Standort der Ankerleine markierte. Die Pony-Flasche verschaffte ihnen nicht viel Zeit, aber wenn sie abgelaufen war, hatte Finn noch jede Menge Luft in seiner Reserve. Jedenfalls, solange Thom nicht ausflippte.
    Er musste den Mann mit aller Kraft festhalten, weil der sofort an die Oberfläche wollte.
Verdammt!
Er zog ihn wieder nach unten. Sein Tauchcomputer sagte ihm, dass sie eine Dekompressionspause von einigen Minuten einlegen sollten, da sie es sonst ziemlich sicher mit der Caissonkrankheit zu tun bekommen würden. Entschlossen hielt er Thom an Ort und Stelle fest, sah ihm fest in die Augen und versuchte, ihn durch die Kraft seiner Gedanken vom Rande des Wahnsinns zurückzureißen.
    Thoms Haut war so wächsern geworden, dass sein Gesicht aus der Nähe schimmerte wie der Vollmond. Noch nie hatte Finn ihn so außer sich erlebt – jedenfalls nicht in den letzten Jahrzehnten.
    Sie kannten einander schon sehr lange.
    Sie vertrauten einander schon sehr lange.
    Jetzt versuchte er, Thom dazu zu bringen, ihm auch in dieser Situation zu vertrauen. Sich darauf zu verlassen, dass er ihn sicher an die Oberfläche und lebend aus diesem Fiasko herausbringen würde. Allmählich ging Thoms zitternder Atem wieder langsamer, seine Augen wurden ruhiger. Finn überprüfte seine Uhr und die Instrumente, dann machte er kurz das Okay-Zeichen, eine stumme Frage.
    Thom nickte, griff nach Finns Armen und schloss die Augen, während er einen tiefen Atemzug nahm. Endlich erwiderte er das Zeichen, die Spitzen von Daumen und Zeigefinger aneinandergedrückt, die übrigen Finger aufgerichtet. Alles in Ordnung.
    Alles würde gut werden.
    Finn gab das Zeichen zum Auftauchen. Er ging es langsam an und zwang sich, tief auszuatmen, damit seine Lunge nicht platzte, während sich die Luft ausdehnte. Dass er Thom – einen erfahrenen Taucher – daran erinnern musste, das Gleiche zu tun, verriet ihm, in was für einer schlechten Verfassung der Mann sein musste.
    Nachdem sie die tiefschwarze Wasseroberfläche durchbrochen hatten, folgten sie der Referenzleine zurück zum Boot, das sanft auf der einsetzenden Flut schaukelte. Keiner von ihnen sprach ein Wort. Sie warfen ihre Flossen an Deck, kletterten an Bord und schälten sich aus ihrer schweren Ausrüstung. Schwer atmend saßen sie da und sahen sich einen endlos langen Augenblick an. Thoms Augen waren voller Gespenster.
    »Ich werde es der Polizei melden müssen«, sagte Finn. Das Bild des leblos im Wasser treibenden Tauchers hatte sich in sein Gehirn eingebrannt.
    Thom schluckte schwer und nickte. Er zog sein kleines Probenglas hervor und betrachtete seine Beute, die sanft im Wasser trieb. Dann legte er den Kopf in die Hände und fing an zu weinen.
    Holly Rudd stieg aus dem Schnellboot und sah sich um. Vancouver Island war etwa so groß wie Schottland, hatte aber nur eine Dreiviertelmillion Einwohner, von denen die meisten in der Provinzhauptstadt Victoria lebten. Der Rest war auf
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