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Im Sog der Gefahr

Im Sog der Gefahr

Titel: Im Sog der Gefahr
Autoren: Toni Anderson
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Führung übernehmen sollte. Das Wasser wurde allmählich trüber, und er nahm Tempo raus und glitt mit präzisen Bewegungen voran, um nicht die heimtückische Schlickschicht aufzuwühlen, mit der alles bedeckt war. Die Strahlen der Taucherlampen drangen nur wenige Meter weit in die Finsternis vor, helle Streifen in der schweren, klaustrophoben Dunkelheit. Finn überprüfte seine Armbanduhr und sein Finimeter, jede Bewegung kontrolliert und vorsichtig.
    Schatten strömten durch das Wasser: Fischschwärme, die durch den Lichtstrahl flitzten wie aufblitzendes Sonnenlicht auf der Schneide eines Messers.
    Sie tauchten durch einen Treppenschacht, hinein in die Eingeweide des Schiffs, den Maschinenraum. Hier hielt Finn nach scharfen Kanten Ausschau, die ihre Gummischläuche oder das Neopren aufschlitzen könnten. Bei Nacht bestand das Schiff aus nichts als dichter Dunkelheit, der völligen Abwesenheit von Licht, und Finn kam sich vor wie Jona im Bauch des Wals. Nur dass er ein Messer bei sich hatte und damit umzugehen wusste.
    Thom fing an zu fotografieren, das Blitzlicht war in der Leere dieses stillen Grabs erschreckend hell. Jetzt war der gefährlichste Zeitpunkt. Thoms Aufmerksamkeit galt ausschließlich seiner Beute, er nahm nichts anderes mehr wahr. Finn musste für sie beide denken.
    Er ließ den Mann arbeiten und hielt sich vollkommen regungslos im Hintergrund, während Thom etwas in sein Unterwasser-Notizbuch schrieb, die Wassertemperatur ablas und weitere Fotos schoss, bevor er vorsichtig seinen Schatz barg. Weil die Kälte allmählich in seine Muskeln vordrang, bewegte Finn die Finger. Er trug keine Handschuhe – er mochte es nicht, wie sie sein Fingerspitzengefühl beeinträchtigten. Fünf Minuten später überprüfte er abermals die Instrumente und stellte fest, dass Thom in seiner Aufregung Unmengen an Luft verbrauchte. Er tippte ihm auf die Schulter und hielt den Daumen nach oben, das Zeichen, dass es Zeit zum Auftauchen war. Thom sah ihn finster an und schüttelte den Kopf. Wieder tippte Finn ihn an – diesmal mit der Faust –, und wieder gab er das Zeichen zum Auftauchen. Es war keine Frage. Thom mochte zwar sein Chef sein, aber Finn war der Tauchführer. Hier unten war er Gott.
    Mit wütendem Blick nickte Thom und ließ seine Beute in eine Seitentasche gleiten. Als Finn auf den Ausgang zuschwamm, sah er im Licht seiner Taschenlampe etwas aufblitzen. Er hielt an, bewegte den Strahl noch einmal über die gleiche Stelle und fand den Gegenstand. Stirnrunzelnd tauchte er tiefer, um ihn sich aus der Nähe anzusehen.
    Es war ein Bleigurt, wie ihn Taucher trugen, um den Auftrieb zu reduzieren. Er fluchte und schwamm eilig zu Thom hinüber, wollte verhindern, dass sein Tauchpartner wie ein Korken an die Wasseroberfläche schnellte, sobald sie das Wrack verließen. Weder wollte er die Nacht in einer Dekompressionskammer verbringen noch erklären müssen, was sie hier unten zu suchen gehabt hatten. Er packte seinen Mentor und Freund an den Schultern und drehte ihn zu sich um – aber Thoms eigener Bleigurt befand sich sicher an seinem Platz. Irritiert legte Thom die Stirn in Falten, und Finn tauchte noch einmal zum Grund, um den Gurt aufzuheben, wobei er Schlick aufwirbelte und mit jedem geräuschvollen Atemzug leise Flüche ausstieß. Vorsichtig glitt er zu der Stelle neben der Tür zurück, wo Thom auf ihn wartete.
    Als er den Strahl seiner Lampe über den Gurt führte, zogen sich Thoms Brauen zusammen. Dann sah er auf, blickte über Finns Schulter, und in seinem Gesicht spiegelte sich nacktes Entsetzen. Er schrie auf und geriet in Panik, als er seinen Atemregler verlor und bei dem fieberhaften Versuch hinauszukommen gegen den Türrahmen prallte. Finn warf noch einen kurzen Blick über die Schulter, ehe die Sedimente ihm wie eine Tintenwolke die Sicht raubten.
    Scheiße!
    Er hatte keine Zeit, sich darum zu kümmern. Thom steckte in Schwierigkeiten. Er war gegen etwas Scharfes gestoßen und jetzt vollständig von einer breiten, irritierenden Bahn aus Luftblasen umhüllt, die überall Steinchen und Schmutz aufwirbelten.
    Automatisch tat Finn das, was er in der Ausbildung gelernt hatte: Er griff nach Thoms Pony-Flasche, schaltete sie ein und schob ihm den dazugehörigen Atemregler in den Mund, wobei er ihn an der Brust festhielt, damit er nicht davontrieb. Irgendetwas hatte Thoms Luftverteiler durchbohrt, wodurch sich beide Druckluftflaschen entleert hatten. Finn schüttelte den Mann kräftig, um seine
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