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Im Sog der Gefahr

Im Sog der Gefahr

Titel: Im Sog der Gefahr
Autoren: Toni Anderson
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adoptiert?« Ihre Stimme klang scharf und wütend, aber sie konnte nicht anders.
    »Ja. Wir haben dich in einem Waisenhaus in Calgary adoptiert, als du noch ganz klein warst. Deine Mutter …« Sie hörte ihn weinen und spürte, dass auch ihr die Tränen über die Wangen liefen. »Ich wollte es dir sagen, aber sie ließ mich nicht. Sie behauptete einfach, du seist jetzt unser Kind.
Unseres
.« Laute, gequälte Schluchzer zerrten an ihrem Herz. »Ich wollte es dir sagen, aber als sie starb, musste ich ihr versprechen, es nicht zu tun. Sie sagte, wir würden einander jetzt mehr brauchen denn je, und sie hatte Angst, wir würden uns entfremden.«
    »Oh, Daddy, ich würde mich nie vor dir zurückziehen. Ich fürchte eher, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst, weil ich mein Leben total versaut habe.«
    »Du warst immer mein eigenes Kind. Von dem Moment an, als ich dich zum ersten Mal in den Armen hielt, warst du
mein Kind
«, sagte er grimmig.
    »Aber ihr habt mich mein Leben lang angelogen. Die Babyfotos …«
    »Deine Mutter wusste, dass du Belege brauchen würdest. Sie hat Fotos von einer entfernten Verwandten in Frankreich genommen, weil sie sich Sorgen gemacht hat, du könntest dich an deine Herkunft erinnern und anfangen, Fragen zu stellen. Die Vorstellung hat ihr schwer zu schaffen gemacht.«
    »Ich habe keine anderen Erinnerungen, außer an uns als Familie.« Gefühle stiegen in ihr auf, drohten sie zu verschlingen, und beinahe wünschte sie, nichts von alledem wäre je passiert. Aber dann wäre sie Finn nicht begegnet, und obwohl sie sich wünschte, dass es unter anderen Umständen geschehen wäre, wollte sie um nichts in der Welt darauf verzichten, ihn zu kennen.
    Aber ihre Erinnerungen kamen ihr wie ein einziger Schwindel vor, wie ein gewaltiger Betrug. Wie sollte sie ihrem Vater je wieder vertrauen? Dann fiel ihr wieder ein, mit wem sie es hier zu tun hatte. Er war der ehrlichste Mensch, dem sie je begegnet war. Er hätte sie niemals getäuscht, wenn er nicht geglaubt hätte, dass es zu ihrem eigenen Besten war. Jetzt musste sie ihm nur klarmachen, dass sie erwachsen war und kein verlassenes Kind mehr.
    Er räusperte sich. »Dieser Mann, mit dem du dich eingelassen hast, ist das Finn Carver?«
    »Ja.«
    »Liebst du ihn?«
    Sie biss sich auf die Lippe. Keine Lügen mehr. »Ja. Ich liebe ihn.« Sie machte sich auf einen Vortrag gefasst.
    »Dann schmeiß es nicht weg. Der Job, das ist eine Sache. Aber Liebe …«
    Sie weinte so heftig, dass sie nichts mehr sehen konnte, doch ihr Vater sprach eindringlich weiter.
    »Wahre Liebe ist selten. Lass ihn nicht los. Nicht mal für den Job, wenn er etwas so Besonderes ist, wie die Leute sagen.«
    Sie nickte ins Telefon. »Das werde ich nicht. Aber jetzt musst du etwas für mich tun, und das wird nicht leicht. Wahrlich nicht. Du musst eine Exhumierung anordnen, und zwar für Bianca Edgefield und das Baby, das bei ihr gefunden und für ermordet gehalten wurde.«
    »Warum sollte ich das tun?« Schon war er wieder ganz Polizist.
    »Ich glaube, sie könnte meine leibliche Mutter sein. In diesem Ort läuft jemand herum, der meine mütterliche DNA in sich trägt, und wenn man bedenkt, wie ähnlich ich dieser Frau sehe, die vor dreißig Jahren ermordet wurde, ist es zumindest möglich, nicht? Also hatte sie entweder noch ein weiteres Kind, das jetzt in Bamfield lebt …« Wenn man bedachte, wann Bianca Thomas Edgefield kennengelernt und geheiratet hatte, bevor sie mit vierundzwanzig gestorben war, schien das nicht sehr wahrscheinlich.
    »Oder …« Die Idee, die sich allmählich am Rande ihres Bewusstseins festbiss, wirkte so weit hergeholt, so haarsträubend, dass Holly sie kaum in Worte fassen konnte. Aber sie musste es laut aussprechen, um die Reaktion ihres Vaters zu hören. »… jemand hat sie umgebracht, um ihr das Baby wegzunehmen, und hat es durch einen anderen, toten Säugling ersetzt.«
    Die Stille lastete schwer. Kein gutes Zeichen.
    »Vielleicht ist das andere Baby eines natürlichen Todes gestorben, oder es wurde umgebracht, aber wie dem auch sei, ich war überschüssig. Oder vielleicht haben sie mich verkauft, verdammt, vielleicht haben sie uns beide verkauft. Ich
weiß
es nicht.« Sie holte tief Luft, um ihre Nerven zu beruhigen. »Aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass Biancas Baby noch am Leben ist.«
    »Oh Gott.«
    »Ich könnte mich irren.«
    »Aber du hast einen guten Instinkt. Den hast du von mir.« Er lachte, aber es klang gezwungen und hohl.
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