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Im Schloss der schlafenden Vampire

Im Schloss der schlafenden Vampire

Titel: Im Schloss der schlafenden Vampire
Autoren: Stefan Wolf
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bleiben! Ein nach Parfüm duftendes Kopftuch aus Seide lieferte
die Augenbinden. Konrad hatte es im Handschuhfach gefunden und in Streifen
gerissen. Ein Tuch von Bellporterpucci, Modeschöpfer in Mailand.
    „Wohin bringst du uns?“ Lena
war den Tränen nahe.

    Tina weinte bereits. Und die
Hände der Kinder waren kalt vor Angst.
    „Keine Sorge!“, knurrte Konrad.
„Ist nicht schlimm. Ihr werdet nur für kurze Zeit eingesperrt. Dann... äh...
könnt ihr zu euren Eltern zurück.“
    „Die Mama ist doch auf Kur in
der Schweiz“, schluchzte Tina. „Macht eine Schönheitskur.“
    „Bekommt ihr sicherlich gut.“
Konrad musste beide festhalten, denn auf der untersten Stufe stolperten sie
gleichzeitig. Diese Stufe war doppelt so hoch wie die anderen. Der
Kellerbaumeister von anno tobak hatte gepfuscht. Oder sich verzählt bei der
Bestellung der vorgefertigten Steinstufen.
    „Du lässt uns frei, wenn du das
Geld für uns hast“, sagte Lena, „nicht wahr? Du willst viel Geld für uns haben.
Tausend Mark oder eine Million.“
    „Halt den Mund!“
    Er öffnete die erste Tür links.
Hier kannte er sich aus, war schon mehrfach hier gewesen mit Edmund. Mit
Kleinkaliber-Gewehren hatten sie Ratten gejagt und mit jeder Flasche Bier, die
dabei geleert wurde, besser getroffen.
    Die Tür war schwer, das Holz
200 Jahre alt, feucht, schwammig und abgestoßen an allen Kanten. Sie besaß auch
einen wuchtigen Riegel, der nur einrastete, wenn man die Tür kräftig gegen den
Rahmen drückte. Dahinter lag ein fast leerer, fensterloser Raum. Für Belüftung
sorgte ein rohrenger Schacht hoch oben in der Wand. In einer Ecke lagerten
leere Kartoffelsäcke, hüfthoch gestapelt. Die unteren moderten, die oberen
waren noch brauchbar. Der Geruch von Erde und Moder herrschte vor. Über die
Wände krochen fette Spinnen — Raubspinnen, die kein Netz weben, sondern ihre
Beute anspringen.
    Na ja, dachte Konrad. Das
müssen die Gören schon mal aushalten. Er hatte das Licht eingeschaltet, eine
Glühbirne in schmuckloser Fassung.
    „Jetzt könnt ihr die
Augenbinden abnehmen. Nachher bringe ich Abendessen. Wenn ich an die Tür poche,
legt ihr die Augenbinden wieder an. Ist das klar?“
    „Ja“, flüsterte Tina, die
eindeutig zarter besaitet war als ihre Schwester.
    „Ich habe schon vergessen, wie
du aussiehst“, meinte Lena mit raffiniertem Sinn für die Situation. „Ich
glaube, du bist zwei Meter groß, 100 Jahre alt und hast langes weißes Haar.“
    „Völlig richtig!“, murmelte er
und trat rasch auf den Gang hinaus, denn die Mädchen nestelten bereits an den
Stoffstreifen.
    Er schloss die Tür, schob den
Riegel vor und war schon damit beschäftigt, ein Ohr zum Horchen ans Holz zu
legen. Deshalb entging ihm, dass die Metallzunge des Riegels die Vertiefung
verfehlte und nur locker an einer ausgeschabten Stelle des Türrahmens -
ebenfalls altes Holz - klemmte. Konrad horchte.
    „Lena, hier ist es...
schrecklich!“, wimmerte Tina. „Da sind Spinnen. Spiiiiinnen!“
    „Nicht so laut! Sonst kommt er
zurück.“
    „Aber ich fürchte mich.“
    „Die Spinnen tun uns nichts.“
    „Ist der Mann wirklich 100
Jahre alt?“
    „Nö. Höchstens 60. Und sooo
hässlich! Ich glaube, er hat rote Augen wie Antonias Kaninchen.“
    Konrad grinste. Als Augenzeugen
würden ihm die beiden nicht gefährlich werden.
    Er schlich zur Treppe und dann
hinauf. Im Marsstall standen Geräte, die man nicht mehr brauchte. Die
ehemaligen Anlagen — Gärten und der Park rund ums Schloss — hatte der
verstorbene Anselm von Lauchtingen schon lange der Natur überlassen. Wozu auch?
Er war mit seinen sechs Ehen beschäftigt. Pflanzliche Natur interessierte ihn
wenig. Jetzt nahm sich der SXX seltsam aus zwischen Traktor, Karrenpflug,
Drillmaschine, Beregnungsautomat und anderen Geräten, auf denen sich seit
Jahren der Staub vermehrte.
    Das Eingangstor lief auf
Rollen. Konrad öffnete es einen Spalt und — prallte zurück. Vor ihm stand...
Gott sei Dank!, es war Edmund, sein Bruder.
    „Konny! Die Mädchen haben geschrien!“
    „Eine hat geschrien. Und nur
ganz kurz.“
    „Es war im Schloss zu hören.“
    „Kann doch sonst was gewesen
sein.“
    „Konny, du bringst mich in
Teufels Küche.“
    „Komm, hör auf!“ Konrad spähte
zum Schloss hinüber. Aber dort war alles ruhig. „Sag mir lieber, ob ich mein
übliches Gästezimmer im Osttrakt beziehen kann. Ich will Heymwacht anrufen.“
Grinsend zog er dessen Handy aus der Tasche. Es war ausgeschaltet.
    „Kein
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