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Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre
Autoren: Léo Malet
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jetzt ist dieses
Adreßbuch in meinem Besitz! Sie kommen nach Hause, und hier erwarten Sie weitere
Scherereien. Ich stelle mir vor... Man kann’s sich nur vorstellen, nicht wahr?“
    „Phantasieren Sie nur“, sagte er ruhig. „Das tun
alle meine Patienten.“
    „Ja. Stellen wir uns also vor, der
Polizeioffizier Sébastien, von Natur aus mißtrauisch und darauf bedacht, sich
hervorzutun, stellt sich, anstatt ins Bett zu gehen wie jeder anständige
Bürger, als Wachposten vor Ihre Villa. Er vermutet vielleicht — er auch! — ,
daß Sie sich selbst beklaut haben. So was soll ja Vorkommen. Nun, er sieht, wie
Ihr Wagen wegfährt und wieder zurückkommt. Am Steuer jedoch sitzen nicht Sie,
sondern eine Frau mit toupierten Haaren, eine Frau, von der noch nie die Rede
war, auch nicht, daß sie mit Ihnen zusammenlebte. Das drängt den
Polizeioffizier natürlich dazu, Erklärungen von Ihnen zu verlangen. Er tut es,
und es geht übel für ihn aus. Ohne Ihr Verhalten entschuldigen zu wollen, muß
ich zugeben, daß Sie gar nicht anders handeln konnten. Sie schlagen ihn mit dem
Arm einer Ihrer Wachsfiguren nieder, strangulieren ihn und vergraben die Leiche
im nahegelegenen Wald von Verrières. Nach getaner Totengräber-Arbeit rufen Sie
die Flics im vierzehnten Arrondissement an. Die kleine Auseinandersetzung mit
Sébastien hat zwar Ihren Zeitplan etwas durcheinander gebracht, aber Simone muß
wohl noch tief und fest in Pruniers Wohnung schlafen. Kaum haben Sie den Hörer
auf die Gabel gelegt, klingelt das Telefon…“
    „Wirklich!“ rief der arme irre Irrenarzt. „Welch
eine Präzision! Welch eine Liebe zum Detail! Der klassische Paranoiker!“
    „Nur die Addition von präzisen Details ergibt
eine Theorie“, belehrte ich ihn.
    „Erzählen Sie weiter!“
    „Das Telefon klingelt. Während Ihrer Abwesenheit
hat es nicht aufgehört zu klingeln. Victor Coulon versucht verzweifelt, Sie zu
erreichen. Jetzt endlich gelingt es ihm. Und wissen Sie, warum er Sie erreichen
wollte?“
    „Weil Simone meine Hilfe brauchte.“
    „Richtig! Das hat Ihnen einen Schock versetzt,
was?“
    „Allerdings.“
    „Und Sie haben nichts kapiert, stimmt’s?“
    „Nein, verdammt nochmal!“
    „Sie haben nicht kapiert, daß ich Coulon
inzwischen von meinem nächtlichen Abenteuer berichtet hatte. Sie haben lange
gebraucht, um zu uns zu kommen, denn Sie mußten sich ja von dem Schock erholen,
sich säubern, sich umziehen, gewissermaßen in eine andere Haut schlüpfen.“
    „Ja. Und diese Person, die weder Mann noch Frau
war oder beides zugleich... Haha!“ Er lachte auf. „Wie ich, sieh mal an! Diese
Person also, die nach mir in Pruniers Wohnung kam und Sie angerufen hat, wer
war das?“
    „Rita Cargelo. Dann hat Prunier Ihnen
offensichtlich nicht erzählt, daß er sie erwartete?“
    „Nein. Sind Sie fertig?“
    „Nein. Bei Coulon wartete nämlich noch eine
weitere, allerdings harmlosere Überraschung auf Sie. Setzt sich doch dieser
Idiot, wie Sie ihn nennen, dieser hilfsbereite dicke Tolpatsch, der er ist, in
den Kopf, mich für Sie zu engagieren! Sie können sein großzügiges Angebot
selbstverständlich nicht ablehnen. Aber Sie reagieren hervorragend. Hut ab,
Doktor!“
    „Was habe ich denn so Hervorragendes getan?“
    „Na ja, Sie laden mich zu sich nach Hause ein,
um mir die Liste der gestohlenen Objekte auszuhändigen. Das gibt Ihnen
Gelegenheit, mich zum Zeugen Ihrer vorgetäuschten Gärtnerarbeit zu machen! Man
kann nämlich nie wissen, die Leute sind ja sooo mißtrauisch! Siehe Sébastien.
Sollte ich die Blasen an Ihren Händen bemerken, käme es mir nicht in den Sinn,
Sie zu fragen, ob etwa das Schaufeln eines Grabes Ihre Hände so verunstaltet
hat. Außerdem erlaubt es Ihnen unsere Unterhaltung auch, auf Simones schweres
Erbe zu sprechen zu kommen, was Sie noch weiter aus dem Kreis der möglichen
Täter entfernt. Tja, und nun bin ich bald am Ende mit meiner Geschichte. Muß
Ihnen nur noch erzählen, daß Sie mir den Gepäckschein zugeschickt haben, mit
dem ich die ,geklauten“ Jadefiguren von der Gare de Lyon abholen konnte. Damit
wäre der Fall erledigt.“
    Nach einem kurzen Schweigen stand Clarimont auf
und sagte:
    „Sehr gut, sehr gut... Entschuldigen Sie mich
bitte für einen Augenblick. Ich muß nach oben gehen, um mich abzuschminken und
einen Pyjama anzuziehen, einen für Männer! Später dann werde ich unsere gute
Polizei anrufen, um sie davon zu unterrichten, daß ein Mann sich gewaltsam
Zugang zu meinem Anwesen
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