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Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre
Autoren: Léo Malet
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ein Haus, das Sie für leer
halten mußten! In solchen Fällen besteht immer die Gefahr, daß man sich eine
Kugel einfängt... dann nämlich, wenn sich doch jemand in dem Haus aufhält. Und
genau das wird Ihnen gleich passieren, mein Lieber! Ich habe Sie für einen
Einbrecher gehalten, ganz einfach! So was kommt bei der Kriminalbehörde prima
an! Im Vertrauen gesagt: Ich hatte trotz allem mit einem Einbruch gerechnet und
mich versteckt.“
    „Ja“, sagte ich. „Auf mein Läuten hin haben Sie
nicht geöffnet, und ans Telefon sind Sie auch nicht gegangen. Haben Sie
telepathische Fähigkeiten, um zu erraten, wer Sie anruft?“ Rede, Nestor, rede!
Du mußt Zeit gewinnen...
    „Ach, das hat damit nichts zu tun“, erwiderte
der Arzt. „Ich wollte heut abend alleine sein. An manchen Tagen hab ich schon
mal so ein Bedürfnis...“
    Tage, an denen er drauflos phantasierte. Bei
Vollmond, Halbmond, zu- und abnehmendem Mond. Glückspilz, der ich bin, war ich
an den Richtigen geraten!
    „Ich habe das Telefon abgestellt. Seit heute
morgen. Es läutet nur bei dem, der anruft, nicht bei mir. Wenn Sie angerufen
haben, konnte ich es nicht hören... Also, Sie neugierige Spürnase, was wollten
Sie hier?“
    „Eine Theorie überprüfen.“
    „Sehr interessant. Wir Wissenschaftler haben
eine ganz besondere Vorliebe für Theorien.“
    Er hörte auf, seine Wachspuppe zu streicheln,
rückte seinen Stuhl näher zu mir heran und musterte mich eingehend. Ganz der
Irrenarzt, der einen Patienten auf seinen Geisteszustand untersuchen will.
Umgekehrt hätte ich einiges feststellen können! Doch plötzlich stellte ich noch
etwas anderes fest.
    „Sie haben Ihre Brille nicht auf“, bemerkte ich.
    „Nein. Frauen mögen das nicht.“
    „Und Ihre Augen haben sich verändert... Sind
weniger farblos...“
    „Leicht getönte Kontaktlinsen.“
    „Aha! Um das Leben in rosaroten Farben zu
sehen?“
    „Sie sagen es!“
    Seine Stimme war sanft und eindringlich. Wie gesagt:
ganz der Irrenarzt.
    „Eine Theorie also“, wiederholte er. „Und worauf
bezieht sich Ihre Theorie?“
    „Auf die Morde an einem gewissen Prunier und an
Inspektor Sébastien, begangen von einem Mann, der einen Diebstahl vorgetäuscht
hat, um die Aufmerksamkeit von einem anderen, echten Diebstahl, dessen
tatsächliches Opfer er geworden ist, abzulenken.“
    „Oh, oh! Das müssen Sie mir näher erklären!
Entspannen Sie sich, bleiben Sie ganz ruhig und erklären Sie mir, was Sie da
eben gesagt haben. Sie scheinen ein interessanter Fall zu sein, wissen Sie
das?“
    „Und Sie erst! Haben Sie sich noch nicht im
Spiegel besehen?“
    „Doch, doch! Ich besehe mich pausenlos... Aber
sagen Sie, dieser Prunier, nicht wahr..
    „Das ist der, dem wir es gewissermaßen
verdanken, daß wir uns überhaupt kennengelernt haben.“
    „Richtig. Also, ich habe Prunier getötet?“
    „Ja.“
    „Klassisch“, seufzte Clarimont. „Der Patient
beschuldigt den behandelnden Arzt stets der schlimmsten Verbrechen... Und warum
sollte ich Prunier umgebracht haben?“
    „Weil er Ihnen einen Film geklaut und dabei Ihr
Geheimnis gelüftet hat.“
    „Welches Geheimnis?“
    „Daß Sie ein exhibitionistischer Transvestit
sind. Prunier war ein Erpresser. Nachdem er’s bei Rita Cargelo versucht hat...
Apropos, da wir schon einmal dabei sind, können wir ruhig alle Namen nennen,
nicht wahr? Sie kennen doch Rita Cargelo, oder?“
    „Dieser widerliche Coulon kennt sie, ich
nicht... Fahren Sie fort!“
    „Nachdem Prunier es bei Rita Cargelo versucht
hat, konnte er’s ja auch bei Ihnen...“
    „Entschuldigen Sie“, unterbrach mich der Arzt,
„aber ich versteh immer noch nicht so recht. Können Sie sich nicht etwas
deutlicher ausdrücken?“
    „Aber gerne. Sehen Sie, ich vermute...“
    „Ach! Sie vermuten! Dann sind das also alles nur
Vermutungen! Aber erzählen Sie ruhig weiter, mein Freund.“
    „Ich vermute, daß Prunier und Sie sich schon
seit langem kannten. Aus der Zeit nämlich, als Prunier ganz spezielle Filme
gedreht und Ihnen geholfen hat, Ihre ,beruhigenden“ und ,heilenden“ Filme zu
produzieren. Außerdem waren Sie ja Filmliebhaber. Ich meine, was die speziellen
Filme angeht. Prunier hat sie Ihnen geliefert. Er und vielleicht auch das
Rauschgiftdezernat, zu dem Sie Beziehungen hatten, aufgrund Ihrer Tätigkeit bei
Gericht. Aber das ist eine andere Geschichte. Unter den Filmen, die Prunier
Ihnen verschaffte, war auch einer mit Rita Cargelo in der Hauptrolle. Eine
Jugendsünde der
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