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Im Schatten meiner Schwester. Roman

Titel: Im Schatten meiner Schwester. Roman
Autoren: Barbara Delinsky
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erstaunt, dass du das sagen kannst.«
    Kathryn drückte ihren Ellbogen. »Wer hat denn dauernd genervt, was Robin wohl wollen würde? Sie liebte es, Geschenke zu machen. Er ist übrigens selber eins. Nicht nur durch das, was er getan hat, sondern was er ist. Er war auf eine Weise für dich da, wie ich es nicht gewesen bin.«
    In diesem Moment konnte Molly ihrer Mutter wegen nichts einen Vorwurf machen. »Du warst mit anderen Dingen beschäftigt.«
    »Das ist keine Entschuldigung. Ich verlasse mich auf dich, Molly. Ich mag es nicht oft genug gesagt haben, mag es nicht mal erkannt haben, aber ich tue es jetzt.«
    »Du fühlst dich allein«, meinte Molly. Und sie war die einzige Tochter, die ihr blieb.
In Ermangelung
war der Ausdruck, der ihr in den Sinn kam, wie heute Morgen bei Marjorie. Erste Tochter in Ermangelung.
    »Weil ich Robin verliere? Nein. Ich habe dich als selbstverständlich hingenommen. Du warst in der Arbeit immer meine Stütze. Und bei Nana. Du warst für sie da, als ich den Schmerz nicht ertragen konnte.«
    »Es war leichter für mich. Ich bin nicht ihre Tochter.«
    »Aber wie egoistisch von mir! Es ging nicht um Thomas. Es ging darum, dass ich nicht gut mit Verlust umgehen kann. Ich bin diese Woche erwachsen geworden. Und du auch.«
    Molly wollte das auch glauben. Das Vertrauen, das ihre Mutter in sie setzte, bedeutete ihr die Welt. Sie war sich immer noch nicht sicher, ob sie Snow Hill übernehmen könnte, hatte sich nie als Führerin gesehen. Doch wenn Kathryn meinte, sie könnte es, war es vielleicht so. Dann wieder: »Vielleicht sind es die Kleider.«
    »Nein, Molly. Setz dich nicht selbst herab. Es geht um das, was in dir steckt.« Leise fügte Kathryn hinzu: »Es gibt also noch ein Geschenk von Robin.«
    »Dass ich erwachsen geworden bin?«
    »Dass ich es gesehen habe.«
    »Aber auch dass ich erwachsen geworden bin. Du hast recht. Ich hatte Probleme mit Robin.«
    »Alle Schwestern haben Probleme.«
    »Aber ich habe sie immer geliebt.«
    Kathryn drückte ihren Arm. Molly blickte sie an und erkannte, dass, auch wenn ihre Augen auf die Zahlen am Lift gerichtet waren, Tränen darin standen.
    Molly ließ ihren Arm mit Kathryns verschränkt, gab und empfing Kraft, selbst nachdem sie in Robins Stockwerk angekommen waren. Ihr Vater, Chris und Erin standen im Flur neben dem Zimmer. Gerade als Molly und Kathryn zu ihnen traten, ging die Tür auf und Peter Santorum kam heraus.
    Molly keuchte auf.
    »Ich habe ihn angerufen«, sagte Kathryn leise. »Es war das Richtige.«
    Die Geste löschte aus, was an restlichen Schuldgefühlen Molly noch empfunden hatte, weil sie ihn überhaupt erst hergeholt hatte. »Danke«, flüsterte sie. Es war nicht nur wegen Peter, sondern wegen allem, was Kathryn gesagt hatte. So viel Heilung inmitten eines Alptraums. Vielleicht bewirkten Krisen so etwas ja.
    Mit einem letzten Druck ließ Kathryn ihren Arm los. Sie ging zu Peter hinüber, umarmte ihn, und auch dafür war Molly dankbar. Er sah am Boden zerstört aus.
    Wenn Kathryn etwas zu ihm sagte, so hörte sie es nicht, weil sie nun ihrerseits Peter umarmte, ihn tröstete. Ob sie ihn nach dem hier jemals wiedersehen würden, war unwichtig. Im Moment war er in ihrem Leben. Robin würde sich freuen.
     
    Das Zimmer war ruhig. Der Herzmonitor piepte noch, und das Beatmungsgerät machte immer noch sein pfeifendes Geräusch, doch Molly hörte sie nicht mehr. Sie empfand nur noch die Ruhe ihrer Mutter. Lieben … Loslassen … Gedankenfragmente, oh, so gültig. Trotzdem brach Molly in Tränen aus, als Kathryn Robin das Haar aus der Stirn strich, ihre Wange küsste und ganz leise sagte: »Wir sind alle hier, mein Engel – du kannst jetzt gehen – es ist gut.« Sie war nicht die Einzige, die weinte. Doch das Geräusch des Weinens übertönte nicht das Klicken des Schalters, als Kathryn ihn auf OFF drehte.
    Als das Saugen der Atemluft aufhörte, traten die Ärzte vor. Molly atmete selbst kaum, während sie Robin genau anschaute. Man hatte ihnen gesagt, dass sie vielleicht noch einen letzten Atemzug tun würde, doch das tat sie nicht. Ihr Herz schlug noch eine Minute, zeichnete letzte Wellen auf den Monitor, bevor der Sauerstoffmangel die Oberhand gewann. Das Piepen wich einem stetigen Summen, die Linie auf dem Monitor wurde flach.
    Molly unterdrückte ein Schluchzen und sah zu, wie ihre Mutter sich vorbeugte und ihre Wange an Robins legte. Ihre Schultern bebten. Charlie ging zu ihr und zog sie fort, während der Arzt sie auf
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