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Im Schatten meiner Schwester. Roman

Titel: Im Schatten meiner Schwester. Roman
Autoren: Barbara Delinsky
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zu Robins medizinischen Berichten gewährten, gäbe es kein Zurück mehr.
    Molly war diejenige, die auf eine Organspende gedrungen hatte, doch es gab Momente, da hätte sie alles gegeben, um das Ganze etwas zu verlangsamen, denn was keiner sagte, aber jeder im Raum wusste, war, dass, sobald der Mechanismus, um Robins Organe zu entnehmen, in Gang gesetzt wäre, die lebenserhaltenden Maßnahmen enden mussten. Die Ärzte versprachen, dass der Tod schnell und ohne Schmerz kommen würde. Sobald die Apparate, die Robin am Leben hielten, abgeschaltet wären, war es endgültig. Trotz all ihrer neuen Einsichten konnte Molly das nur mit Mühe akzeptieren.
    Nicht so Kathryn. Sie war gefasst, während Molly in Tränen ausbrach, und lauschte ruhig allem, was die Agenten sagten. Sie stellte Fragen, vielleicht mit einem Beben in der Stimme, aber sie brach nie zusammen. Sie nickte zum Zeichen, dass sie verstand, als die Agenten von den Gefühlen sprachen, die die Familien vielleicht hätten, lehnte aber ihr Angebot einer Beratung ab. Nachdem sie die Entscheidung getroffen hatte, war sie ganz dabei.
    Molly beneidete sie darum. Ihre Mutter hatte seit den ersten entsetzlichen Stunden einen langen Weg zurückgelegt. Dasselbe galt für Molly, doch sie hatte noch einen langen vor sich. Ihr Magen war in Aufruhr, und ihre Beine waren schwach – klassische Symptome dafür, dass sie gegen die Wand lief. Sie versuchte, Robins Mantra heraufzubeschwören, konnte sich aber nicht richtig daran erinnern. Ihre Augen klebten an ihrer Mutter.
    Kathryn hielt den Stift, zögerte einen Moment, während sie erst Charlie, dann Chris und Molly anschaute, doch die Botschaft war voller Überzeugung. Wir müssen das hier tun. Wir lieben Robin zu sehr, um sie nicht gehen zu lassen. Ihr Gesicht war bleich, und obwohl sich in ihren Augen Schmerz widerspiegelte, waren sie klarer, als sie die ganze Woche gewesen waren. Schließlich senkte sie den Blick und unterzeichnete die Papiere.
    Kurz darauf waren die Snows allein im Konferenzraum. Keiner sprach. Mollys brach das Herz. Trotz all ihren Reden, dass man akzeptieren müsse, was man nicht ändern könne, wollte sie nicht, dass ihre Schwester starb.
    Chris sprach als Erster. Seine Stimme war leise. »Wann werden sie es tun?«
    Kathryn presste die Lippen zusammen und nickte dann. »Später heute. Wenn wir bereit sind.« Sie schien Mollys Bedauern zu verstehen und griff nach ihrer Hand. Ihre Stimme klang locker. »Sie können so viele verschiedene Organe nutzen. Aber sie werden nicht ihr Herz nehmen. Das wird immer uns gehören.«
    »Ich will das nicht«, hauchte Molly.
    »Das will keiner von uns, aber es ist eines der wenigen Dinge, von denen wir wissen, dass Robin es wollte. Sie würde gerne wissen, dass sie anderen Menschen hilft. Es gibt einen riesigen Bedarf. Das hast du mir erzählt. Wie können wir das hier nicht tun?«
    »Aber es bedeutet …«
    »Robin kann nicht zurückkommen«, sagte sie und schüttelte Mollys Hand ein wenig. »Sie kann nur bewusstlos in diesem Raum dort am Flur liegen. Ich war die ganze Woche bei ihr, Molly. Ich habe geredet und gebettelt und gefordert. Ich habe gebetet. Aber sie reagiert nicht. Sie kann nicht. Und das ist unfair. So hat sie nicht leben wollen. Und dann sind da wir. Sie würde nicht wollen, dass wir endlos Wache halten. Sie würde wollen, dass wir etwas tun. Sie würde uns in Snow Hill wollen.« Ihre Stimme wurde sanfter. »Die Apparate abzuschalten ist eine technische Sache. Ihr Bewusstsein ist bereits fort. Ihr Geist bleibt noch, aber er bleibt an ihr Bett gebunden, weil wir da sind. Wenn wir ihn befreien wollen, müssen wir das hier für sie tun.«
    Molly hörte ein Echo ihres Vaters und sah keinen Widerspruch. Ja, Robins Seele war im Himmel. Ihr Geist jedoch war etwas anderes. Es war der Teil von ihr, der in jedem weiterlebte, den sie zurückließ. In dieser Hinsicht ergab das, was Kathryn sagte, einen Sinn.
    Trotzdem empfand Molly nicht die Ruhe ihrer Mutter. Als Kathryn aufstand, um in Robins Zimmer zurückzukehren, nahm Molly den Aufzug ins Erdgeschoss und zog ihr Handy hervor.
    Fünfzehn Minuten später setzte sich David zu ihr auf eine Steinbank im Patio. »Ich fühle mich verantwortlich«, gestand sie, nachdem sie ihm von den Papieren erzählt hatte, die Kathryn unterschrieben hatte. »Ich war diejenige, die auf eine Organspende gedrängt hat. Sag mir, dass ich das Richtige getan habe.«
    Vor fünf Tagen und scheinbar einer Ewigkeit hatte David sie dasselbe
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