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Im Schatten meiner Schwester. Roman

Titel: Im Schatten meiner Schwester. Roman
Autoren: Barbara Delinsky
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es die Freude des Wiedererkennens war, erinnerte sich jedoch daran, was Molly gesagt hatte. Jeder, der neu zu ihr kam, würde diesen kleinen Funken auslösen. Es war eine typische gesellschaftliche Reaktion.
    »Ich bin’s, Mom, Kathryn.«
    Marjorie schenkte ihr ein verwirrtes Lächeln. Babys waren so, erkannte Kathryn. Sie wollten gefallen, noch bevor sie wussten, was sie taten. Robin war so gewesen. Und Kathryn hatte sie dafür geliebt, dass sie es versuchte.
    Und ebenso liebte sie in diesem Augenblick ihre Mutter. »Du siehst schön aus, Mom«, lobte sie. »Hast du die Sonntagsmusik genossen?«
    Marjories Gesicht wurde ausdruckslos. »Sonntag?«
    »Die Kirche. Wir sind doch immer hingegangen – du, ich und Dad. Erinnerst du dich an die Musik aus der Kirche?«
    Marjorie überlegte eine Zeitlang, bevor sie sagte: »Ich singe.«
    »Das tust du«, entgegnete Kathryn mit Nachdruck, als ob sie mit einem Kind reden würde. Der Wiedergewinn auch nur eines winzigen Fadens der Erinnerung war ermutigend. »Du warst eine Weile im Chor. Du liebtest es zu singen.«
    »Ich wusste nicht, dass Nana im Chor gesungen hat«, warf Molly ein.
    »O ja. Das hat sie sehr lange gemacht. Mein Vater und ich liebten es, ihr zuzusehen.«
    »Warum hat sie aufgehört?«
    Kathryn zögerte. Sie hatte seit Jahren mit ihrer Mutter nicht mehr darüber gesprochen, doch es könnte vielleicht eine Reaktion hervorrufen. Sie beobachtete Marjorie genau und antwortete: »Ich wurde schwanger.«
    »Aber du warst doch inzwischen mit Dad zusammen. Wer also wusste es?«
    »Mom. Es störte sie.«
    »Aber sie hat Robin
geliebt

    »Sie hat sich schließlich dazu durchgerungen«, erwiderte Kathryn, deren eigene Erinnerung nun in Gang gesetzt wurde. »Es gab einen entscheidenden Augenblick kurz vor meiner Hochzeit. Erinnerst du dich daran, Mom? Ich lief rum und habe versucht zu packen, weil Charlie und ich umzogen. Ich hatte schlimme Morgenübelkeit und Angst vor der Ehe, Angst davor, ein Baby zu bekommen, Angst davor, von zu Hause wegzugehen.« Marjorie schien zu lauschen – fand die Stimme ihrer Tochter vertraut, wie Kathryn hoffte. »So viele Veränderungen in so kurzer Zeit. Ich habe dich beschuldigt, du wolltest mich weg haben. Du hast gesagt, das stimme nicht, dass du mich dort haben wolltest, dass du diese Veränderung in unserem Leben nicht wolltest.«
    Marjorie lächelte, aber sie schwieg. Erkennen? Schwer zu sagen.
    »Was hast du gesagt?«, fragte Molly.
    »Es ging hin und her zwischen uns, und wir haben beide Dinge gesagt, die immer blöder wurden.«
    »Zum Beispiel?«
    Kathryn hatte jahrelang nicht daran gedacht, doch die Worte fielen ihr schnell wieder ein. »Sie sagte, ich würde ihren bedingungslosen Stolz nicht anerkennen. Ich sagte, sie verweigere mir bedingungslose Liebe. Sie sagte, ich sei sorglos und gedankenlos gewesen. Ich sagte, sie sei altmodisch. Dumme Sachen, aber wir ließen alles raus. Wir saßen nur da, sahen uns an und empfanden eine Verbindung, die wir nicht beschreiben konnten.« Da war tatsächlich noch mehr gewesen, erkannte Kathryn. Als sich der Staub gelegt hatte, sprachen sie vernünftig über die unvermeidbaren Veränderungen, die Vorstellung, dass sie loslassen mussten, was vielleicht hätte sein können, und akzeptieren mussten, was war.
    Kathryn dachte an Robin und spürte einen Knoten in ihrem Bauch. Im nächsten Moment jedoch löste sich der Knoten.
Loslassen, was hätte sein können – akzeptieren, was ist.
    Sie drückte Marjories Hand an ihre Kehle. »Du hast in dieser Nacht in meinem Bett geschlafen, genauso wie Molly bei mir gestern Nacht. Erinnerst du dich daran, Mom?« Marjories Gesicht war ausdruckslos, aber süß – ach so süß – und Kathryn so vertraut wie ihr eigenes. »Nein, du erinnerst dich nicht«, meinte sie leise. »Das muss ich akzeptieren. So viel zu akzeptieren in dieser Woche.« Sie betrachtete die Hand ihrer Mutter, deren Finger so schmal wie eh und je waren. »Molly hat dir von Robin erzählt. Wie begräbt eine Mutter ihr Kind?« Sie sah sie flehend an. »Wie, Mom? Bitte sag es mir. Ich brauche Hilfe.«
    »Ich … Ich …«, stammelte Marjorie, die erregt war und eindeutig nicht wusste, warum.
    Molly berührte die Schulter ihrer Großmutter, doch anstatt sich zu beruhigen, sah Marjorie sie besorgt an. »Kenne ich Sie?«
    »Ich bin Molly.«
    Marjories Blick flog wieder zu Kathryn. »Wer sind Sie?«
    »Kathryn. Deine Tochter. Mollys Mutter.« Als Marjorie nicht reagierte, fuhr Kathryn
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