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Im Schatten meiner Schwester. Roman

Titel: Im Schatten meiner Schwester. Roman
Autoren: Barbara Delinsky
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Herztöne abhörte, die Monitore abschaltete und sanft den Beatmungsschlauch entfernte. Dann verließ das Medizinerteam den Raum und überließ Robin für ein paar letzte Momente ihrer Familie.
    Ohne den Schlauch, der über ihrem Mund klebte, sah sie mehr wie die alte Robin aus – jedoch tödlich still und darin überhaupt nicht wie Robin. Molly stand neben ihrem Bett und nahm ihre Hand. Sie war noch warm. Sie wusste nicht, wie lange sie sie hielt, doch Charlie musste mit Gewalt ihre Finger lösen, damit sie endlich losließ. Er führte sie hinaus und gab Kathryn so ein paar Minuten allein. Dann war es vorbei.

[home]
22
    D ie Nachricht verbreitete sich schnell. Als Kathryn und Charlie zum Haus kamen, war bereits ein kleiner Konvoi aus Autos dort. Nach einer Woche fast völliger Einsamkeit war Kathryn die Gesellschaft willkommen. Sie hielt sie davon ab, an die Prozedur zu denken, die im OP gerade stattfand. In diesem Augenblick war es leichter, Erinnerungen an ihre Erstgeborene zu teilen.
    Robin hätte diese Versammlung geliebt. Es gab jede Menge zu essen und mehr als genug Hilfe in der Küche, so dass sie nach Herzenslust hätte feiern können. Kathryn bewegte sich anmutig von einem Freund zu einem Nachbarn und dann zu einem Angestellten von Snow Hill. Jemand schenkte ihr Kaffee nach, ein anderer gab ihr ein Muffin. Normalerweise war sie es, die bediente, doch diesmal ließ sie sich helfen.
    Peters Anwesenheit war ein Trost und rundete Robins Familie ab, wenn auch nur in Kathryns Kopf. Sie stellte ihn den anderen als alten Freund vor, und sein Nicken sagte, dass ihm das gefiel. Da er keine Geschichten über Robin zu erzählen hatte, schien er zufrieden zu sein zuzuhören. Da so viele Menschen das Reden als Katharsis brauchten, funktionierte es gut.
    Chris und Erin waren zu Hause vorbeigefahren, um Chloe zu holen, und Kathryn hielt das Baby eine Zeitlang im Arm, während sie von einem Zimmer ins andere ging. Chloe verkörperte Unschuld und Hoffnung. Sie war zu jung, um sich später an den heutigen Tag zu erinnern, doch Kathryn würde ihr im Lauf der Jahre von ihrer Tante Robin erzählen. Sie würde einige der Geschichten wiedererzählen, die heute erzählt wurden, würde Bilder hervorholen, sogar laut vorlesen.
    »Sie ist ihr erstes Rennen mit fünf gelaufen, ihren ersten Marathon mit fünfzehn, und in den Jahren dazwischen und seither hat sie darum gekämpft, gut zu sein. Manchmal war sie so nervös vor einem Rennen, dass ihr richtig schlecht wurde, manchmal durch eine körperliche Verletzung so behindert, dass das Einzige, was sie in Gang hielt, reine Willenskraft war. Sie behauptete, sie sei nicht die beste Läuferin, nur die entschlossenste. Darin unterstützt sie die Geschichte.«
    Geschriebene Tagebücher, Computerdateien, eine autorisierte Biografie – es gab Möglichkeiten, Robin am Leben zu halten. Kathryn war gerade erst dabei, das zu erkennen.
    Als das Baby zu quengeln begann, gab sie es Chris zurück. In dem Augenblick entdeckte sie David. Molly stellte ihn einer Gruppe von Snow Hill vor, doch Kathryn musste ihn jemand Wichtigerem vorstellen. Sie nahm seine Hand und führte ihn zu Charlie.
    Wie sollte sie ihn vorstellen? David Harris – Guter Samariter – Mollys Freund – unser zukünftiger Schwiegersohn? Das Letzte ließ sie sein, obwohl es sich bereits in ihrem Kopf verankert hatte. Molly mochte ihn gerade erst kennengelernt haben, doch Kathryn war sich in Bezug auf David so sicher, wie sie es sich bei Charlie vor zweiunddreißig Jahren gewesen war. Beides war schnell und in schwierigen Zeiten passiert. Außerdem gab es eine gewisse Symmetrie, da Charlie ganz am Anfang von Robins Leben gekommen war und David ganz am Ende.
    Während Charlie mit David redete, sah sie Nick zur Haustür hereinkommen. Er schien am Boden zerstört. Sie legte schnell die Hand auf Charlies Arm.
    Charlie folgte ihrem Blick. »Soll ich?«
    Nein. Das musste Kathryn tun. Während sie sich einen Weg zwischen den Grüppchen zur Tür bahnte, dachte sie daran, wie Nick die Familie benutzt hatte. Doch wie er nun da stand und sie mit schmerzerfülltem Blick ansah, wirkte er nicht so sehr wie ein Benutzer, sondern eher wie ein Mann, der jemanden verloren hatte, der ihm nahestand und teuer gewesen war. Sie ließ es sein. War das nicht die Lektion der Woche? Wut brachte gar nichts. Leugnen war eine Krücke. Nick mochte nicht der Mann sein, den sich Kathryn für Robin gewünscht hätte, und Robin hatte ihn auch nicht geliebt, aber
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