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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes
Autoren: Evita Wolff
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andere gewünscht.«
Eric empfand das tiefe Bedürfnis, den Kopf zu beugen vor dieser Großherzigkeit.
Statt dessen sagte er nur leise: »Und ich möchte, daß Sie bekommen, was Sie sich ebenso gewünscht haben.«
    Max war eine unersetzliche Hilfe. Ohne Schwierigkeiten hatte er sich in den jungen Haushalt eingefügt: ein Mann von vierunddreißig, der wirkte wie ein höchstens Zwanzigjähriger, mit einem ganz glatten, blassen Gesicht unter den hellroten Haaren, das immer verhungert aussah, den gewaltigen Mengen, die er zu jeder Mahlzeit vertilgte, zum Trotz – Elaine pflegte ihn seines Appetits wegen nachsichtig zu necken.
    Der Wind beugte die Kronen der Bäume und preßte das Glas flach. Wenn sein Ansturm nachließ, richteten sich die Pflanzen auf, als schöpften sie eilig Atem vor dem nächsten Angriff. Max kam mit dem Wagen zurück von einem schwierigen Fall. Er raffte seine Jacke um sich und eilte ins Haus.
    Als er in die Küche trat, drehte sich Eric zu ihm und sah sein strahlendes Gesicht.
»Du hast es geschafft!«
»Ja. Zuerst dachte ich, es wäre unmöglich, und wollte schon aufgeben, aber Mr. Colbert war ganz verzweifelt – sie ist eine seiner besten Zuchtsäue, und ich schob und schob, na, du kennst das, wenn man halbnackt auf dem Beton liegt und – «
»Gott, ja«, sagte Eric. »Das kenne ich.«
»Und plötzlich ging das Ding zurück, einfach so.« Max machte eine kleine, für sich sprechende Bewegung, ließ sich beinah gleichzeitig auf einen Küchenstuhl fallen und streckte zufrieden die Beine von sich: Feierabend für heute – »Was tust du gerade?«
»Ich versuche, mit diesem Monster hier fertig zu werden.« Eric nickte finster nach der automatischen Fruchtpresse. Ein Batzen Apfelsinen lag neben ihr und, wie Max jetzt sah, eine gute Ladung zerquetschter Apfelsinenschalen im Mülleimer.
»Ich wollte einen Orangensaft für Elaine machen, aber dieses Ungeheuer schafft es immer wieder, den Saft über die ganze Arbeitsplatte zu spritzen, statt es in seine Schale zu nehmen. Schöne Schweinerei.«
»Laß mal sehen.« Max drehte die Maschine hin und her, untersuchte sie mit seinen schmalen Händen. »Oh, das ist des Rätsels Lösung:«, sagte er plötzlich vergnügt, »sie ist zu schnell eingestellt. Vielleicht ist das passiert, als du sie aus dem Schrank genommen hast.«
»Ja?«
»Ja. – Früher wäre dir das gleich aufgefallen. – Du wirst immer unruhiger, Eric«, sagte Max ernst. »Ich fange an, mir Sorgen um dich zu machen. Du bist auch schon wieder ganz dünn im Gesicht.«
»Sprach ein Skelett zum anderen.«
»Nein, ernsthaft. Du bist ... in diesen Tagen nach der Hochzeit bist du ganz schnell immer weniger geworden. Du solltest dich nicht so sehr sorgen. Elaine ist eine starke Frau. Sie ist zart, aber sie hat viel Kraft.«
»Ach, ich weiß, aber ...« Eric riß plötzlich den Kopf hoch. »Hast du das auch gehört?!«
Max lauschte. Er hörte den Sturm laut singen. »Was meinst du?«
»Da – wieder!«
»Ich höre den Sturm.«
Eric rannte die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinauf und fand Elaine bleich und schweißüberströmt. Sie versuchte, die für das Krankenhaus gepackte Tasche zu erreichen. Er fing sie auf und drückte sie sanft an sich. Max war ihm nachgekommen, überblickte sofort die Situation und nahm die Tasche auf.
»Ist es sehr schlimm, kleine Fee?«
Ihre Zähne knirschten im Kampf gegen die Wehen. Der Laut ließ ihn ihren Schmerz in seiner ganzen Stärke nachvollziehen, und sein Innerstes verkrampfte sich. Aber sie sagte sanft, als der Krampf abgeebbt war: »Nein, es geht schon.« Sie spürte das Herankommen einer neuen Schmerzwelle und griff nach seiner Hand. Ihre Finger verschlangen sich ineinander. – »Aber, bitte, halt mich fest!«
Er streichelte ihr die feuchten Locken aus dem Gesicht und preßte die Lippen gegen ihre Stirn. »Ich halte dich fest. Ich halte dich fest, kleine Fee.«
Er hob sie auf seine Arme, trug sie behutsam zum Wagen und hielt sie fest, während Max nach Kirkrose brauste. Er hielt sie fest, als sie auf eine Bahre gelegt und in den Bauch des Krankenhauses geschoben wurde. Er hielt sie fest, als die Wehen in immer kürzeren Abständen kamen, und umschloß sie in all diesen endlos scheinenden Stunden, in denen ihr Sohn geboren wurde.
Noch nie hatte er sich so hilflos gefühlt – und doch half er ihr so sehr, denn er war bei ihr, und seine ganze große Kraft floß in Elaine ein und ließ sie die schier unerträglichen Schmerzen leichter erdulden.
Benommen hörte er
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