Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes
Autoren: Evita Wolff
Vom Netzwerk:
endlich die Stimme des Chefarztes der Geburtshilfe, der sich mit kollegialer Selbstverständlichkeit Elaines angenommen hatte: »Ein gesunder Junge, Mrs. und Mr. Gustavson, meinen Glückwunsch!« – Eric richtete sich langsam aus seiner zusammengekrümmten Haltung auf. Er fühlte sich wie zerschlagen. Blinzelnd nahm er das kleine Bündel aus den Händen der Hebamme. Er blickte in das noch gerötete, seltsam verhutzelt aussehende Gesichtchen und fühlte für den Bruchteil einer Sekunde einen Anflug von Zorn wegen der Schmerzen, die das kleine Geschöpf seiner Mutter zugefügt hatte.
»Gib ihn mir!« sagte sie da dunkel und streckte beide Arme nach ihm aus. Er beobachtete, wie sie das Kind an ihre Brust zog, mit einer Bewegung, die seine Kehle schmerzhaft verengte. Ihre freie Hand streckte sich nach ihm aus: »Liebling ...«
Der Raum um ihn versank. Es gab nur noch sie, geschwächt, aber glücklich, in dem schrecklich weißen Bett – und das Bündel, das ihrer beider Sohn war, in ihrem Arm. Ihre Augen leuchteten. »Liebling ... komm doch zu uns.«
Plötzlich überkam ihn eine heiße Freude, eine Freude, die alles verzeiht, und eine überschäumende Liebe. Behutsam ließ er sich auf ihrem Bettrand nieder. Es war ausgestanden. Vorbei.
»Wir haben ein Kind«, flüsterte er fassungslos. »In Fleisch und Blut. Einen Sohn!«
Noch wagte er es nicht, ihn erneut zu berühren.
»Alexander.«
»Alexander«, flüsterte er. Es klang immer noch ungläubig: Vor der Niederkunft war ihm die Aussicht auf einen Nachkommen wie etwas Nebelhaftes erschienen; wie etwas, von dem man nur träumt. »Alexander«, flüsterte er noch einmal.
»Da ist er; und siehst du ... er hat deine Augen.«
Mit einem Blick bat sie die Betreuer, sie allein zu lassen, dann zog sie das Kind noch enger an sich und hielt es sanft an ihre Brust. Die unfaßbar zarten Lippen des Neugeborenen strichen suchend über ihre Haut. Sanft führte ihre Hand das hohe Hinterköpfchen. Alexander begann zu trinken, und sie fühlte eine Eintracht, die geradezu schmerzhaft war.
»Fayre Elaine, ich wünschte ...«
Sie sah zu ihm auf, Alexander in ihren Arm gebettet.
»Ich wünschte, ich hätte dir diese Qual ersparen können, kleine Fee. Wenn es nur nicht so sehr schwer wäre, geboren zu werden –«
Sie lächelte und zog seinen Kopf zu sich, streichelte die Tränen aus seinem Gesicht, die ihm noch immer über die Wangen liefen, ohne daß er es bemerkte.
»Du bekommst nicht, was du dir mit aller Kraft wünschst, ohne dafür zu leiden. Und schau ihn dir an, unseren kleinen Alexander! Siehst du? Er hat deine Augen!« wiederholte sie. »Und bald wird er genauso aussehen wie du als kleiner Junge.«
Sein Gesicht verdüsterte sich, und sie fügte rasch hinzu: »Aber er wird ein glücklicher kleiner Junge sein.«
Ihre Worte nahmen die Wolke von seinem Gesicht.
»Ein glücklicher kleiner Junge ...«
Sein Kopf lehnte sich auf ihre Schulter neben dem ihres Sohnes; schwer auf einmal, und unendlich müde. Der Arm, den er um sie beide legte, zitterte. Sie strich sanft durch sein Haar und zog ihn dichter zu sich.
»Fayre Elaine –«
»Ruh dich aus, Liebling.«
»... Ja, bei euch. – Bei euch. Ihr seid mein Zuhause.«
»Ja, Liebling, Zuhause. – Wir sind da.«
    Der Herr über die Garderobe des Bonny Prince Charly war außerordentlich nervös, als er die Taufgesellschaft in Empfang nahm.
    Einige von ihnen kannte er. An Elaine erinnerte er sich von ihren früheren Besuchen her, aber sie war ohnehin eine Frau, die man nicht vergaß.
    Doch vor allem erinnerte er sich an den Mann, der das Baby auf dem Arm trug. Niemals würde er den Blick dieser Augen vergessen, der ihn hinter sein Tischchen gejagt hatte.
    An seinem Auftreten war heute freilich nicht das geringste auszusetzen: Wilkie mutmaßte, daß sein dunkler Anzug auf ihn zugeschnitten worden war; ein unerhörter Gegensatz zu der Kleidung, die er bei ihrer ersten Begegnung getragen hatte. Auch heute hatte er allerdings wieder diesen großen Hund bei sich. Wilkie näherte sich zögernd, um dem Mann seinen Mantel abzunehmen. Der dunkle Blick richtete sich in seinen, offen, freundlich, gerade. »Bemühen Sie sich nicht«, sagte der Mann. »Kleine Fee, würdest du Alexander eine Minute halten?«
    Er streifte seinen Mantel ab und hängte ihn selbst auf einen Bügel. Der Hund wedelte und schien ihn anzulächeln. Dann fühlte Wilkie einen Geldschein in seiner Hand, ein freundliches Klopfen auf seiner Schulter. Ungläubig starrte er ihnen nach, als sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher