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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes
Autoren: Evita Wolff
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ausgeliefert werden soll, und schon gar nicht ein Pferd wie Sir Lancelot!«
»Nein, oh nein, Sie mißverstehen das, Eric! Wenn wir Sir Lancelot im Stall halten, und meinetwegen tagsüber bei den Kühen – wissen Sie, es gibt Wächter für unsere Kühe, genauso wie es einen Hirten für unsere Schafe gibt; der würde Excalibur schon verscheuchen, wenn er versuchen sollte, Sir Lancelot anzugreifen. Und in der Nacht wäre er ja im Stall, der fest verriegelt werden kann.« Hoffnungsvoll sah sie ihn an.
»Eric – bitte! Sir Lancelot wird in Sicherheit sein, und Solitaire ... vielleicht können Sie ihr helfen.«
Eric ließ den Strick los. »Solitaire? Ist das ihr Name?«
Bislang hatten sie nur über »die Stute« gesprochen, über ihr rätselhaftes Verschwinden, ihr ebenso rätselhaftes Wiederauftauchen und über die erschreckende Veränderung ihres Wesens. Nicht ein einziges Mal war ihr Name genannt worden.
»Sie ist einzig, darum gaben wir ihr diesen Namen.«
»Einzig? Was bedeutet das, Madam?«
»Morgen werden Sie sie sehen, wenn wir die Herde gefunden und Excalibur dazu gebracht haben, die Stuten zu uns zu bringen. Bitte! Bitte, Eric, bleiben Sie!«
»Lance darf nichts geschehen.«
»Es wird ihm nichts geschehen.«
»Also gut... ich bin bereit, es zu versuchen.« Schwer fielen ihm diese Worte, und das Aufleuchten ihres Gesichts ärgerte ihn. »Ich bleibe nur, weil mich diese Stute wirklich interessiert. Aus keinem anderen Grund!« Er hatte noch immer das Bedürfnis, alle Höflichkeit und Zurückhaltung fahren zu lassen. Er hätte sie packen und schütteln mögen.
»Oh – ich danke Ihnen, Eric, wenn Sie wüßten – Sie sind unsere letzte Hoffnung!«
»Wir werden sehen«, sagte er kurz und führte Lance wieder zurück zum Stall.
Auf dem Stallgang blieb er stehen und löste das Halfterseil: »Keine Vorschriften außerhalb der Arbeit – das war unsere Vereinbarung, mein Junge, also geh, such dir den Platz, wo du bleiben willst.« Er schob Lance mit der Schulter voran, und der Hengst setzte sich in Bewegung. Vor der dritten Box zur Linken blieb er stehen. Er streckte den Kopf über die geschlossene Tür, witterte intensiv und scharrte.
»Nummer drei.« Eric öffnete die Tür. »Nummer drei, bitte sehr.« Der Hengst tat einen Schritt, und seine Fesseln versanken tief in duftendem Stroh. Sir Lancelot drehte sich um und schob die Nase in den leeren Futtertrog.
»Es ist noch keine Futterzeit, Junge.«
Das Pferd erkundete darauf die automatische Tränke und trank.
»Aber natürlich gibt es Futter für ihn! Er hat ja schließlich eine lange Fahrt hinter sich!«
Emily trug eilig einen Eimer mit Hafer und Melasse herbei, und einen zweiten mit zerkleinerten Mohren, unter die Leinsamen gemischt war. Ihr zarter Körper schwankte unter dem Gewicht.
»Geben Sie nur, ich mach das schon.« Er nahm ihr die Eimer ab, trat in die Box und schüttete das Futter in den Trog. Lance machte sich darüber her. Eric war zufrieden: ebenso fütterte er die ihm anvertrauten Pferde auch.
Waffenstillstand, dachte er. Aber er würde nicht vergessen, daß Emily Fargus und Sir Simon ihn getäuscht hatten.
    Am Abend holte er das Pferd aus dem Stall, legte ihm eine Trense an, zog sich auf den bloßen Rücken und ritt hinaus. Beim Klang der beschlagenen Hufe auf dem Kopfsteinpflaster des Hofes erhob sich ein grauweißer Schäferhund aus einer Ecke, kam zu ihnen, umkreiste sie mehrmals in vorsichtigem Abstand, lief schließlich voraus, und blieb dann stehen. »Du siehst aus wie ein Wolf«, sagte Eric. Der Hund wedelte und kam etwas näher. »Könntest du uns vielleicht einen Weg zeigen? Ich möchte an einen Ort, an dem uns niemand anstarren kann, weißt du.«
    Im Haus hatte ihn jeder angestarrt: der alte Großvater, der seinen knüppelartigen Gehstock immer dicht bei seinem Stuhl oder Sessel stehen hatte, Louise, die fünfzehnjährige Tochter von Emily, Emily selbst, und auch Turner. Alle hatten ihn beobachtet – immer diese kleinen, schnellen Seitenblicke, und das direkte Zuwenden des Gesichts, wenn er sich auch nur räusperte. Er hatte sich oft geräuspert im Verlauf dieses Nachmittags; die eigenartig gespannte Atmosphäre war ihm auf die Nerven gegangen und hatte ihn entsetzlich ermüdet. Was er jetzt brauchte, war frische Luft, Abwechslung, etwas Neues, etwas Anregendes.
    Lance, der es nicht gewohnt war, völlig allein zu sein, schien sich nach dem Aufenthalt in dem leeren Stall ähnlich kribbelig und gereizt zu fühlen; seine Ohren zuckten, und sein
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