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Im Schatten des Palazzo Farnese

Im Schatten des Palazzo Farnese

Titel: Im Schatten des Palazzo Farnese
Autoren: Fred Vargas
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Jedenfalls weiß Henri Valhubert es plötzlich. Er weiß. Zur Zeit der Geburt ist Vitelli bereits Priester. Unter seiner Drohung hat Laura geschwiegen. Vater unbekannt. Ihre Heirat mit Valhubert verdammt sie noch stärker zum Schweigen. Und dann faßt Lorenzo Zuneigung zu seiner Tochter. Das ist idiotisch, aber es ist so. Er zieht Gabriella auf, wobei er kein Risiko eingeht, sie ähneln sich nur, wenn man daran denkt. Und er weiß genau, woher Laura ihr Geld hat, das ist ein weiteres Mittel, um sich auf immer ihr Schweigen zu sichern.
    Henri Valhubert hat dieses verborgene Leben, das sich seit vierundzwanzig Jahren so friedlich abspielte, in große Erregung versetzt. Der Bischof mußte diesen Mann, der die Harmonie ihrer verschwiegenen Beziehung zerstören würde, der seine Kardinalsstelle und seine gesamte Karriere zerstören würde, der die Zukunft von Gabriella zerstören würde, er mußte ihn umbringen. Ohne zu zögern vergiftet er ihn am Abend des Festes auf der Piazza Farnese. Die Sache mit dem Michelangelo läßt sich dabei herrlich benutzen. Vitelli ermittelt ohne Unterlaß, um die Angelegenheit aufzuklären, und stößt dabei auf mehr, als er zu hoffen gewagt hatte: Tiberius plündert die Vaticana, Tiberius eignet sich perfekt, um den Mord an seiner Stelle aufgehalst zu bekommen.
    Aber er darf nichts überstürzen. Bloß nicht. Was würde Ruggieri denken, wenn er ihm Tiberius ausliefern würde,seinen jungen Tiberius, den er so sehr liebt? Der Bulle könnte mißtrauisch werden, könnte versuchen herauszufinden, was ihn dazu treibt, ihn, einen Mann der Kirche, Tiberius mit solchem Eifer auszuliefern. Vielmehr muß er die Bullen dazu bringen, Tiberius’ Schuld mit der Zeit selbst zu entdecken, während er zum Schein seine Rolle als Beschützer wahrt. Nur gibt es da Maria. Maria ist nicht blöd. Sie kennt ihn seit vielen Jahren. Sie glaubt nicht an seine Hingabe, und, schlimmer noch, sie verdächtigt ihn des Mordes. Sie hat die Geschichte mit Gabriella seit langem begriffen oder hat das Gespräch zwischen Valhubert und dem Bischof im Arbeitszimmer mitbekommen. Vermutlich hat sie Vitelli vorgeschlagen, ihr Schweigen gegen seines zu tauschen: Sie würde nichts über Gabriella sagen, wenn er nichts über Tiberius sagt. Der Bischof akzeptiert, und dann bringt er sie um. Und mühelos schließt sich die Schlinge um Tiberius. Perfekt. Aber nach seiner Verhaftung gerät Laura ins Wanken, und sie kennt genügend Einzelheiten, um die Sache zu durchschauen. Sie liebt den verdammten Kaiser sehr, und Vitelli spürt, wie sie schwach wird, wie sie Tag für Tag an Boden verliert. Laura wird ihm, dem Bischof, noch die Stirn bieten. Er muß sie eliminieren. Eine Drohung durch den Doryphorus, dann die Ermordung, alles wird ganz normal erscheinen. Laura töten. Bestimmt wird es ihm schwergefallen sein, sich dazu zu entschließen. Sehr schwer.
    »Wie hast du das herausgefunden, Nero?« fragte Valence leise, ohne den Blick von der Decke zu wenden. »Was den Bischof und Gabriella angeht – wie hast du das herausgefunden?«
    Nero verzog das Gesicht.
    »Also, ich sehe Dinge im unsichtbaren Bereich«, sagte er.
    »Wie hast du es herausgefunden?« wiederholte Valence.
    Nero schloß die Augen und verschränkte die Arme.
    »Wenn Nero das tut«, kommentierte Claudius, »dann hat er nicht die Absicht zu reden.«
    »Richtig, mein Freund«, bemerkte Nero. »Wenn Nero das tut, könnt ihr euch alle zum Teufel scheren.«
    »Ich habe es ihm gestern gesagt«, erklärte Gabriella.
    Sie war aufgestanden und sah die anderen wie aus großer Ferne an.
    »Du hast es nicht gewußt«, murmelte Laura.
    »Manchmal wußte ich es trotzdem.«
    »Wenn du das wußtest«, sagte Valence langsam, »dann wußtest du auch, wer Henri und Maria getötet hat.«
    »Nein. Nur manchmal«, erwiderte Gabriella.
    »Warum hast du nur mit Nero darüber gesprochen?«
    »Ich mag Nero.«
    »Na bitte«, sagte Nero, ohne die Augen zu öffnen. »Unendliche Verstrickungen der Gefühle, aus denen sich die Geschicke der Fürsten weben und an denen sie scheitern …«
    »Halt die Klappe, Nero«, unterbrach ihn Claudius.
    Nero hatte den Eindruck, daß es Claudius besser ging. Das war eine gute Nachricht. Valence fuhr sich mit der Hand über die Augen und wandte sich vom Fenster ab.
    »Der Schnaps steht dort«, sagte Nero zu ihm und streckte den Arm aus.
    »Tiberius hat sechs der elf gestohlenen Stücke in einem Safe aufbewahrt«, sagte Valence. »Die fehlenden sollte man wiederbekommen
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