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Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)
Autoren: Bernd Perplies
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erreichen. Im Dunkeln waren die gewaltigen Dimensionen des Parks kaum zu ermessen. Und obwohl überall Laternen zum abendlichen Flanieren einluden, war kaum jemand zu sehen. Die Luft war nach dem Unwetter noch zu kühl und der Boden zu feucht für einen unbeschwerten Aufenthalt im Freien.
    Carya machte das nichts aus. Sie war froh, draußen zu sein und etwas Abstand zu diesem Bauwerk gewinnen zu können, in dessen Gemächern sich in den letzten Stunden ihr ganzes Leben grundlegend verändert hatte. Pitlit war schon eingeweiht. Aber das Gespräch mit Jonan stand noch aus. Jetzt schien ein guter Moment zu sein. »Jonan …«, begann sie.
    »Carya, warte«, unterbrach er sie. »Ich muss dir zuerst noch etwas sagen.«
    Schulterzuckend ließ sie ihm den Vortritt.
    Er blieb stehen und spielte etwas verlegen mit seinen Händen, als wisse er nicht, was er mit ihnen anstellen sollte. »Ich habe mich gestern Abend dir gegenüber mies benommen. Du hast mich aufgesucht, um dich zu entschuldigen, und ich war so abweisend. Es tut mir leid. Das war nicht angebracht. Ich war einfach noch …« Er gestikulierte vage. »Ich hatte noch dieses Bild im Kopf, verstehst du?«
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, gab Carya zurück. »Ich kann mir vorstellen, wie du dich gefühlt haben musst. Und wenn man bedenkt, als was für ein Schwein sich der Prinz entpuppt hat.« Sie verzog das Gesicht. »Ich kann kaum fassen, dass ich ihn zuvor wirklich nett fand.«
    »Wirklich nett?«, echote Jonan.
    Carya schaute ihn ernst an. »Ein Teil von mir hat ihn gemocht, ja. Aber bevor du jetzt wieder das Falsche denkst: Ich habe es selbst nicht verstanden. Ich liebe dich! Nur dich, Jonan! Und du hast mir in all den Wochen, die wir uns kennen, nie den geringsten Anlass gegeben, an dir zu zweifeln. Also wie konnte ich unter Alexandres Bann fallen?«
    »Ist das eine rhetorische Frage?« Jonan versuchte sich in einem ironischen Lächeln.
    »Mittlerweile schon«, antwortete Carya. »Botschafter Cartagena hat mir die Antwort darauf gegeben. Und auf all meine anderen Fragen.«
    »Der Botschafter?«
    »Ja.«
    »Erzähl … also, wenn du drüber reden möchtest.«
    »Natürlich sollst du es erfahren.« Sie nahmen ihren Spaziergang wieder auf und schlenderten an den hohen Hecken vorbei in Richtung See. Derweil wiederholte Carya, was sie zuvor schon Pitlit berichtet hatte. Sie holte sogar noch weiter aus, denn sie wollte, dass Jonan alles erfuhr, was ihr in den letzten Tagen auf Château Lune widerfahren war.
    Als sie fertig war, hatten sie den See im westlichen Teil des Parks erreicht. Es handelte sich um ein riesiges, künstlich angelegtes Gewässer in Form eines Kreuzes, wie Carya von Gemälden im Schloss wusste. Jetzt im Dunkeln war das selbstverständlich nicht zu erkennen. Ein Diener hatte einige Kerzen in Holzblüten gestellt, und diese schwammen nun auf dem schwarzen Wasser wie funkelnde Seerosen. An einem nahen Steg waren einige Boote vertäut. An lauen Sommerabenden konnte man damit auf den See hinausrudern. Es war eine romantische Vorstellung.
    »Sag was«, bat sie Jonan, als sie am Ufer stehen blieben.
    Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Puh, das muss ich erst einmal verdauen. Eine Invitro, gezüchtet von einer ominösen Erdenwacht, um den Prinzen zu verführen und den Kaiser zu töten. Das hört man nicht alle Tage. Aber wenigstens sehe ich jetzt einiges klarer.« Er grinste schief.
    »Und … was bedeutet das jetzt für uns?«, fragte Carya unsicher. Denn darum ging es doch die ganze Zeit: die Irrungen und Wirrungen der vergangenen vierundzwanzig Stunden zu überwinden und endlich wieder vereint zu sein, und das nicht nur physisch, sondern auch im Geiste und im Herzen.
    »Das bedeutet …« Jonan zögerte. Dann brach sich plötzlich ein verschämtes Lächeln seine Bahn, und er schüttelte, wie über sich selbst entrüstet, den Kopf. »Ich versaue es gerade schon wieder, kannst du dir das vorstellen? Ich bin manchmal einfach nicht gut mit Worten. Hat sich ja auch in der Trümmerzone gezeigt, als erst ein Blitz einschlagen musste, um Alexandre und die Kinder zu trennen.«
    »Das musst du mir auch noch erzählen«, sagte Carya.
    »Stimmt. Aber nicht jetzt. Komm her.« Er trat auf sie zu und schloss sie in die Arme.
    Carya hatte das Gefühl, als sei eine riesige Last von ihren Schultern genommen. Eine berauschende Mischung aus Erleichterung und Glück brandete durch ihren Körper, als sie ihre Arme ihrerseits um Jonan schlang und ihn fest an
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