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Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)
Autoren: Bernd Perplies
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wenig mehr Zeit blieb.
    Aber Carya nickte. »Ja. Ich möchte das Schloss verlassen haben, bevor irgendetwas passieren kann, das unser Glück wieder trübt. Jetzt ist alles wundervoll, aber schon der nächste Gast, der an die Tür klopft, kann alles zerstören.«
    Es klopfte an der Tür.
    Jonan und Carya sahen sich an. »Nicht im Ernst, oder?«, brummte Jonan.
    »Wer ist da?«, fragte Carya.
    »Ich bin’s, Pitlit«, drang die Stimme des Straßenjungen durch die Tür. »Tut mir leid, dass ich euch so früh störe, aber ein Diener hat mich eben geweckt. Er sagte, unsere Kutsche stünde im Hof bereit. Keine Ahnung, wo die herkommt. Aber ich dachte, ich gebe euch lieber Bescheid.«
    Erneut wechselten Jonan und Carya einen Blick, diesmal offen verblüfft. »Du bist anscheinend nicht die Einzige, die will, dass wir so bald wie möglich das Schloss verlassen«, murmelte Jonan.
    Carya beugte sich zu ihm hinüber. Ihr Haar kitzelte ihn am Hals. »Wie ich dir gesagt habe«, flüsterte sie, bevor sie ihm einen Kuss gab. »Schon der nächste Gast, der an die Tür klopft, kann alles zerstören.«
    »Ich hasse dieses Schloss.«
    »Hallo? Habt ihr mich gehört?«, drang Pitlits Stimme vom Flur her.
    »Ja, danke, Pitlit. Wir kommen gleich runter«, erwiderte Carya.
    »In Ordnung.«
    Sie standen auf, wuschen sich rasch und kleideten sich an. Carya entschied sich für ihre Reisekleidung, das einfache Hemd und die feste Hose. Den Rest ihrer Sachen stopfte sie in ihren Beutel. Die feinen Kleider, die Cartagena ihr besorgt hatte, ließ sie da. So schön sie waren, sie stellten auf der Reise nur unnötigen Ballast dar – denn wie oft gab es in der Wildnis schon Anlass, ein Abendkleid zu tragen?
    Hand in Hand liefen sie durch die Korridore hinunter zum Innenhof von Château Lune. Pitlit, der sie dort erwartete, verdrehte die Augen. »Ehrlich, muss das sein? Ihr habt mich schon die ganze Nacht alleine gelassen. Ich brauche wirklich nicht noch einen Hinweis darauf, was ihr getrieben habt.«
    Grinsend ließ Jonan Carya los, was diese bereitwillig geschehen ließ. Sie hatten die letzten acht Stunden kaum die Hände voneinander lassen können. Sie mussten es nicht übertreiben.
    Einige Schritte von Pitlit entfernt stand tatsächlich eine angespannte Kutsche. Jonan erkannte sie wieder. Sie gehörte Minister de Funès. Als sie hinübergingen, tippte sich der Kutscher grüßend an die Mütze. »Madame, Messieurs, mir wurde aufgetragen, Sie in die Trümmerzone zu bringen, zu Bonasse.«
    »Wie aufmerksam«, sagte Jonan. »Danken Sie dem Minister von uns.«
    »Danken Sie ihm selbst«, sagte der Kutscher. »Dort kommt er.« Er nickte in Richtung des Mittelbaus, und tatsächlich öffnete sich dort gerade eine Tür, aus der Minister de Funès in Begleitung von Julianne Factice auftauchte. Die ehemalige Ministerin war, wie angedroht, in ein langes, graues, unförmiges Gewand gekleidet und trug nur eine kleine Tasche bei sich, in der sich wohl Brot und Wasser befanden.
    »Guten Morgen«, grüßte der Minister.
    »Minister de Funès«, erwiderte Jonan den Gruß. »Vielen Dank für den Transport hinüber in die Stadt.«
    »Keine Ursache. Tun Sie mir nur den Gefallen und nehmen Sie Madame Factice mit.«
    »Wohin möchten Sie, Madame?«, fragte Jonan.
    »Wenn Sie mich zu Godard bringen könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar.«
    »Zum Markt? Ja, das ist machbar. Ich hoffe nur, dass Sie keinen Schock erleiden. Die Menschen dort – Godard und seine Männer eingeschlossen – leben sehr ärmlich. Und es herrschen raue Sitten.«
    Ein klägliches Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Ich habe nicht immer in einem Palast gewohnt. Ich werde mich wieder daran gewöhnen, einfach zu leben. Was bleibt mir auch anderes übrig?«
    »Hier«, mischte sich de Funès ein und reichte Jonan und Pitlit jeweils eine Geldbörse. »Der Kaiser hat Ihnen einen Lohn versprochen, und Sie sollen ihn bekommen. Ich habe außerdem noch ein paar Lebensmittel in die Kutsche packen lassen. Reste vom gestrigen Abendessen. Bringen Sie sie bitte Bonasse und grüßen Sie ihn von mir.«
    »Danke, Minister, das werden wir.«
    Sie verabschiedeten sich und stiegen ein. Als sich ihr Gefährt in Bewegung setzte, warf Jonan einen letzten Blick auf Château Lune. Er kniff die Augen zusammen. Irrte er sich, oder stand da ein Mann in einem prunkvollen Mantel hinter dem Fenster im ersten Stock des Mittelbaus? Nein, es war tatsächlich so. Der Mann zog den Vorhang einen Moment beiseite und hob zum Abschied
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