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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman
Autoren: Richard Dübell
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ein schillerndes Veilchen, das vor zwei Tagen noch nicht da gewesen war, und die Pusteln um ihre Mundwinkel zeigten deutlich, dass derjenige, der ihr das Veilchen verpasst hatte, auch nicht ganz unversehrt aus ihrem Bett gekommen war. Wahrscheinlich würde der Betreffende sich in den nächsten Tagen bei Walter einfinden und sich dessen zweiwöchiger Schwitzkur unterziehen, in der Hoffnung, die unkeusche Krankheit damit loszuwerden. Barbara hatte sich lediglich bedankt und versprochen, Walter auf seine Schulden aufmerksam zu machen.
    Früher hättest du das Getriefe der alten Hexe zurückgewiesen, überlegte sie, während sie den Korb nach Hause schleppte. Kann es sein, dass all deine Kraft zerbrochen ist?
    Walter stapfte heran. Barbara trat einen Schritt zurück, als er nach dem Korb griff, ihn aufhob und davontrug. Hildegard glättete eines der Tücher besonders sorgfältig. Barbara beobachtete ihre Schwester. Wieder breitete sich Schweigen aus. Sie hörte Walter den Verschlag aufreißen, der am jenseitigen Ende des Erdgeschosses als Vorratskammer diente. Hildegard zerrte und zupfte an dem Laken, bis das Schweigen lauter wurde als jedes Geschrei.
    »Was willst du mir sagen?«, fragte Barbara schließlich.
    Hildegard seufzte, zupfte noch ein letztes Mal eine Falte aus dem Tuch und lehnte sich schließlich gegen den Zuber. »Komm her«, sagte sie und streckte die Arme aus. Barbara schmiegte sich in die Umarmung ihrer Schwester. Ihr Herz klopfte laut. Hildegard fuhr ihr übers Haar.
    »Das hier is’ doch nichts für dich«, sagte sie endlich. »Dauernd umgeben von den kranken Kerlen. So lang denen die Pfeife tropft, verfluchen sie uns alle miteinander als teuflische Weiber, die ihnen die Krankheit angehängt haben; wenn sie gesund sind, wollen sie dir sofort unter ’n Rock. Und wenn das nich’ is’, regt sich bestimmt irgendein scheinheiliger Frömmler auf, und du kannst dich vom Rat verhören lassen und musst noch dankbar sein, wenn man dir dabei nich’ die Glieder ausreißt.«
    »Ich habe kein Zuhause mehr außer dem hier …«
    »Du musst wieder auf die Beine kommen, Kleine. Gregor lebt nich’ mehr, und das is’ schlimm, aber nu’ isser tot, und es wird Zeit, dass du damit zurechtkommst. Wir haben jetzt Mariä Himmelfahrt durch, und geschehen isses nach Karfreitag. Das Leben geht weiter. Und erzähl mir nich’, dass in deinem Herzen kein Platz war außer für ihn, den alten Sack …«
    »Ich war seine Frau und habe geschworen, ihm in allem beizustehen. Stattdessen habe ich ihn sterben gesehen und konnte ihm nicht helfen. Reicht das nicht?«
    »Is’ ja gut, Kleine, is’ ja gut.« Hildegard seufzte. »Ich meine ja bloß. Wenn Walter abkratzen würde, was Gott der Herr verhüten möge, würd ich das Ding hier einfach weiterführen. Ich würde mir vom Rat die Erlaubnis geben lassen und den Kerls selber den Sud eintrichtern, bis denen der Dampf zu den Ohren rauskommt.«
    »Ich kann Gregors Geschäfte nicht weiterführen. Sie haben ihn umgebracht!«
    »Nee, nee, die alten Knochen zu verhökern, wo die feinen Herren so scharf drauf sind, is’ nichts für dich … das is’ überhaupt nichts für unsereinen. Gregor hätt auch die Finger davon lassen sollen. Er wusste doch gar nich’, worauf er sich einlässt. Aber ich red mich leicht, ich hab ja was, das mich über die Runden bringt, ob wir nun bei der alten Griet in der Kreide stehen oder nicht.«
    »Obwohl das hier doch ›nichts ist‹?« Barbara lächelte, ohne es zu wollen.
    »Für so ’n junges Ding wie dich nich’. Ich bin ’ne alte Kuh, bei mir is’ das anders.«
    »Du bist nur ein paar Jahre älter als ich.«
    »Ja, und das is’ mehr als genug! Gott der Herr hat uns Weibern die schöneren Gesichter gegeben, aber er hat auch dafür gesorgt, dass sie uns schnell wieder genommen werden. Fang wieder zu leben an, Kleine, bevor’s zu spät is’!«
    »Keine Angst, große Schwester, ich habe mich nicht aufgegeben.«
    »So?«
    »Nein.« Ich habe noch eine Aufgabe zu erledigen, dachte Barbara. Für die reicht meine Kraft noch.
    »Und was is’ mit den schlechten Träumen? Wann hören die auf?«
    Barbara löste sich aus der Umarmung Hildegards und nahm deren Hände. Sie waren rot und rau. Barbara nahm an, dass die Hände ihrer Mutter sich genauso angefühlt hätten, wenn Gott ihnen beiden die Gelegenheit zum Händehalten gegeben hätte.
    »Hat Walter gesagt, du sollst mit mir reden?«
    »Du musst ihn verstehen, Kleine. In der Schänke haben se’ ihn
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