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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman
Autoren: Richard Dübell
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Rotbart und der Herzog von Schwaben tot, der zweite Sohn des Kaisers noch ohne wirkliche Macht, eifersüchtige Barone, die danach trachten, das Vermögen wiederzuerlangen, das sie auf der Pilgerfahrt verloren haben, verlotterte Edelleute, Krankheiten, verderbte Weiber, Gurgelabschneider, Menschen wie Bruder Antonius …«
    »Deshalb muss es einer sein, der Erfahrung in der sündigen Welt hat und mit den schurkischen Kräften des Teufels umzugehen versteht.«
    Fredegar verschränkte die Arme über der Brust. »Du kannst doch wohl nicht mich meinen, ehrwürdiger Vater!«
    Remigius, der zierliche, kleine, kahlköpfige Mann, der in jedem Gespräch um einen Kopf größer wirkte als seine Gesprächspartner, gab den Blick des alten Kriegers zurück. Wieder einmal erkannte Ulrich, dass Remigius tatsächlich sehr klein war. Selbst Fredegars Gestalt, an der Tunika und Kukulle nur so schlotterten, als führe ständig der Wind hindurch, wirkte massig im Vergleich zu ihm. Remigius’ Hände klammerten sich in die unordentliche Tuchfahne, als die seine Kukulle über dem Strick um seine Hüften hing.
    »Wen sonst, Bruder Fredegar?« Er wies auf die anderen. In Ulrich stieg Empörung auf, mit Emmeran und Peter in einen Topf geworfen zu werden. Er öffnete den Mund, doch Emmeran kam ihm zuvor. »Engelschöre …«, seufzte der Sakristan.
    »Ehrwürdiger Vater, ich bin von Otterberg hierher gekommen, um deinem Vorgänger und dir in der Unterweisung der Mönche in den heiligen Regeln von Citeaux beizustehen. Ich wollte es nicht, aber unser Vater Abt hat Demut von mir gefordert, und ich bin ihm gefolgt, ohne dass ich es in all den Jahren, die ich nun in dieser Gemeinschaft lebe, jemals bereut hätte. Ich leiste auch dir Gefolgschaft, wie die Regeln es gebieten, aber ich werde nicht gegen das Gelübde verstoßen, das ich beim Verlassen der Welt getan habe: Ich kehre nicht mehr dorthin zurück. Nun kannst du mich strafen, wie du es für richtig hältst und wie ich es verdient habe, aber es wird nichts daran ändern, dass ich meinem Schwur treu bleibe.«
    Fredegar senkte die Arme an beiden Seiten herab und neigte den Kopf vor Remigius. In dieser Haltung blieb er stehen. Ulrich hatte nie zuvor erlebt, dass der alte Mann so viel an einem Stück geredet hatte. Remigius seufzte.
    »Du hast keine Strafe verdient, Bruder Fredegar. Mir wäre lieber, du würdest … ich brauche dich dort draußen.«
    »Die Gemeinschaft braucht den Schädel nicht.«
    »Wir sind noch nicht so weit.«
    »Dann sollten wir diese Möglichkeit dankbar annehmen, um zu lernen und zu wachsen.«
    Remigius zerrte seine Kukulle doch noch ein Stück hervor. »Die Gemeinschaft wird auseinander brechen«, zischte er.
    »Wird sie nicht. Glaube daran!«
    »Doch, sie wird.« Remigius atmete tief aus. »Du hast Recht mit allem, was du gesagt hast, Bruder Fredegar, und doch rufe ich: Herr vergib mir, die Gemeinschaft wird daran zerbrechen!«
    Fredegar gab Remigius’ Blick zurück. Ulrich, der noch immer neben den beiden stand, als wäre er lediglich ein architektonischer Bestandteil der Kapelle, fühlte die Blicke, als würden sie seine Eingeweide zusammenpressen. Remigius war seit zwei Jahren Prior; seine erste Amtshandlung hatte darin bestanden, an der Tür zu der kleinen Kammer neben der Tagestreppe, die den Mönchen das Parlatorium und dem Prior das Auditorium war, die zweite Regel des Benedikt anzubringen (Remigius hatte sie mit eigenen Händen geschrieben und illuminiert, während der Nacht vor seiner Weihe, in der er sich auf das Amt vorbereitete): Wisse, dass die Verantwortung auf den Hirten fällt, wenn es bei seinen Schafen einen Missertrag gibt.
    Prior Remigius, der gute Hausvater seiner kleinen Gemeinschaft. Wenn sie scheiterte, scheiterte Remigius’ ganzes Leben.
    »Ich kann nicht selbst gehen, das weißt du, Bruder Fredegar. Nicht in einer Zeit wie dieser. Wenn ich die Gemeinschaft jetzt allein lasse …«
    »Ich gehe«, platzte Ulrich heraus.
    Schweigen.
    Langsam wurde Ulrich sich bewusst, was er da gesagt hatte.
    Remigius starrte ihn an. Fredegar wandte den Kopf. Ulrich spürte den leeren Schrein zu seiner Linken und die Schatten in den Augen des Schädels so deutlich, als wäre Sankt Albo immer noch bei ihnen.
    »Ich gehe!«, bekräftigte Ulrich und bemühte sich, seine Stimme fest klingen zu lassen.
    Remigius starrte ihn immer noch an.
    »Unsinn«, sagte der Prior dann und wandte sich Fredegar zu. »Im Namen des Herrn, der da sagte: ›Lass diesen Kelch an mir
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