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Im Schatten des Fürsten

Im Schatten des Fürsten

Titel: Im Schatten des Fürsten
Autoren: Jim Butcher
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gewissen Höhe die Wände, die den Talkessel einschlossen. Hier und dort saßen Vögel und andere Tiere im Kroatsch gefangen, wie versiegelt; sie lebten noch und lagen reglos da, bis sie aufgeweicht waren und sich aufgelöst hatten wie Fleisch, das man über kleiner Flamme gart. Blasse Wesen, so groß wie wilde Hunde, durchscheinend und spinnenartig mit vielen Beinen, lauerten beinahe unsichtbar
im Kroatsch , während andere leise und flink und fremdartig über den Waldboden huschten.
    Diese Erinnerung jagte ihr einen Schauer über den Rücken, aber sie biss sich auf die Unterlippe und zwang sich, ihn zu unterdrücken. Als sie ihren Vater anblickte, gab der vor, nichts bemerkt zu haben.
    Im Tal unten hatte, so weit ihr Volk zurückdenken konnte, niemals Schnee gelegen. Dort war es zu warm, selbst im Winter, als wäre das Kroatsch ein riesiges Tier, das die Wärme seines Körpers an die Luft abstrahlte.
    Jetzt war der Wachswald mit Eis bedeckt, und überall herrschte Fäulnis. Die alten toten Bäume überzog eine Schicht aus braunem, widerwärtigem Teer. Der Boden war gefroren, auch wenn Kitai an der einen oder der anderen Stelle noch Flecken von moderndem Kroatsch entdeckte. Mehrere Bäume waren umgekippt. Und der hohle Hügel in der Mitte war eingestürzt und verrottet. Der Gestank drang sogar bis hier hoch, zu Kitai und ihrem Vater.
    Doroga schwieg eine Weile, ehe er sagte: »Wir sollten hinuntersteigen. Und herausfinden, was geschehen ist.«
    »Ich war schon unten«, erwiderte Kitai.
    Ihr Vater runzelte die Stirn. »Es ist töricht, so etwas allein zu unternehmen.«
    »Wer von uns dreien hier hat es lebend wieder nach oben geschafft und war dabei am häufigsten unten?«
    Doroga lachte grunzend und sah sie voller Zuneigung und Wärme an. »Vielleicht war es doch nicht so töricht.« Dann wurde er wieder ernst, und erneut verhüllten Wind und Schneeregen das Tal. »Was hast du entdeckt?«
    »Tote Hüter«, antwortete sie. »Totes Kroatsch . Keine Wärme. Keine Bewegung. Von den Hütern sind nur leere Hüllen geblieben. Das Kroatsch zerbröselt bei der leisesten Berührung zu Asche.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Und noch etwas.«
    »Und zwar?«

    »Spuren«, sagte sie ruhig. »Die zur anderen Seite führen. Nach Westen.«
    Doroga brummte: »Was für Spuren?«
    Kitai schüttelte den Kopf. »Sie waren nicht frisch. Vielleicht Marat oder Aleraner. Entlang der Fährte habe ich viele tote Hüter gefunden. Als hätten sie angegriffen und wären einer nach dem anderen gestorben.«
    »Das Wesen«, knurrte Doroga, »bewegt sich auf die Aleraner zu.«
    Kitai nickte besorgt.
    Doroga blickte sie an. »Und was noch?«
    »Seine Tasche. Den Rucksack, den der Taljunge während des Gerichts im Wachswald verloren hat. Ich habe ihn neben der letzten toten Spinne entdeckt, und sein Geruch hing immer noch daran. Dann begann es zu regnen. Ich habe die Spur verloren.«
    Dorogas Miene verdüsterte sich. »Es genügt, wenn wir es dem Herrn des Calderon-Tals berichten. Vielleicht hat es nichts zu bedeuten.«
    »Oder vielleicht doch. Ich gehe«, meinte Kitai.
    »Nein«, entgegnete Doroga.
    »Aber Vater …«
    »Nein«, wiederholte er nachdrücklicher.
    »Wenn es nun nach ihm sucht?«
    Eine Weile lang hüllte sich ihr Vater in Schweigen, ehe er sagte: »Dein Aleraner ist schlau. Schnell. Er kann auf sich selbst aufpassen.«
    Kitai blickte ihn finster an. »Er ist klein. Und dumm. Und lästig.«
    »Tapfer. Selbstlos.«
    »Schwach. Und er verfügt nicht einmal über die Zauberkräfte seines Volkes.«
    »Er hat dich gerettet«, sagte Doroga.
    Kitais Miene wurde noch finsterer. »Ja. Sehr lästig.«
    Doroga lächelte. »Selbst ein Löwe beginnt sein Leben als Junges.«

    »Ich könnte ihn in der Mitte entzweibrechen«, knurrte Kitai.
    »Im Augenblick, ja.«
    »Ich verachte ihn.«
    »Im Augenblick, ja.«
    »Er hatte kein Recht dazu.«
    Doroga schüttelte den Kopf. »Nicht mehr als du.«
    Kitai verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich hasse ihn.«
    »Und deshalb soll ihn jemand warnen. Ich verstehe.«
    Kitai errötete, ihre Wangen und ihr Hals wurden heiß, doch ihr Vater schien es nicht zu bemerken. »Was geschehen ist, ist geschehen«, knurrte er. Er wandte sich ihr zu und legte Kitai die riesige Pranke auf die Wange, legte den Kopf schräg und betrachtete sie einen Moment lang. »Mir gefallen seine Augen bei dir. Wie Smaragd. Wie frisches Gras.«
    Kitai spürte, wie ihr die Tränen kamen. Sie schloss die Augen und küsste
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