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Im Schatten des Fürsten

Im Schatten des Fürsten

Titel: Im Schatten des Fürsten
Autoren: Jim Butcher
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willst.«
    »Eigentlich ist es der, den ich aufsetze, wenn ich jemandem einen Rat geben will, von dem ich weiß, dass ihn der Betreffende sowieso nicht annehmen wird.« Ehren spähte ebenfalls um die Ecke. »Tavi, sie sind alle da. Wir können genauso gut auch gleich abhauen. Es gibt nur den einen Weg in den Speisesaal, sie werden uns sehen.«
    »Sie sind nicht alle da«, meinte Tavi. »Die Zwillinge fehlen.«

    »Gut. Es sind nur Brencis und Renzo und Varien. Jeder von denen wird allein mit uns beiden fertig.«
    »Wir könnten uns zur Abwechslung ja mal wehren«, erwiderte Tavi.
    Der kleinere Junge seufzte. »Tavi, es ist nur eine Frage der Zeit, bis jemand zu Schaden kommt. Vielleicht sogar ernsthaft verletzt wird.«
    »Das würden sie nicht wagen«, erwiderte Tavi.
    »Sie sind Cives , Tavi. Wir nicht. So einfach ist das.«
    »Aber so läuft das nicht.«
    »Hast du zufällig mal im Geschichtsunterricht zugehört?«, konterte Ehren. »Natürlich läuft das so. Sie werden behaupten, es sei ein Unfall gewesen und es tue ihnen fürchterlich leid. Vorausgesetzt, die Sache kommt überhaupt vor Gericht, wird der Richter sie eine kleine Strafe an deine Verwandten zahlen lassen. Während du dein Leben lang ohne Augen oder ohne Füße herumlaufen musst.«
    Tavi schob das Kinn vor und ging los - um die Ecke. »Ich werde nicht aufs Frühstück verzichten. Ich war die ganze Nacht in der Zitadelle, und er hat mich ein Dutzend Mal diese krähenbeschissene Treppe hinaufgeschickt. Wenn ich noch eine Mahlzeit ausfallen lassen muss, werde ich wahnsinnig.«
    Ehren packte ihn am Arm. Seine Kordel, an der sich eine weiße, eine blaue und eine grüne Perle befanden, baumelte gegen seine Brust. Drei Perlen bedeuteten, dass die Elementarmeister der Akademie der Meinung waren, Ehren verfüge über so gut wie gar kein Talent zur Elementarbeschwörung.
    Nun ja, immerhin hatte er drei Perlen mehr als Tavi.
    Ehren blickte Tavi in die Augen. »Wenn du allein losgehst, bist du längst wahnsinnig. Bitte, warte doch noch ein bisschen.«
    Genau in diesem Augenblick erklang die dritte Morgenglocke mit ihren drei langen Schlägen. Tavi sah mit grimmiger Miene zum Glockenturm. »Die letzte Glocke. Wenn wir jetzt nicht losgehen, haben wir keine Zeit mehr zum Essen. Mit ein bisschen
Glück können wir uns an ihnen vorbeischmuggeln, wenn irgendwer anders herauskommt. Vielleicht sehen sie uns gar nicht.«
    »Ich verstehe nicht, wo sich Max herumtreibt«, meinte Ehren.
    Tavi blickte sich wieder um. »Ich habe auch keine Ahnung. Ich bin erst kurz vorm Abendläuten zum Palast aufgebrochen, aber bis heute Morgen hat niemand in seinem Bett gelegen.«
    »Er war wieder die ganze Nacht unterwegs«, klagte Ehren. »Wie will er die Prüfungen bestehen, wenn er so weitermacht? Nicht einmal ich kann ihm dann helfen.«
    »Du kennst doch Max«, sagte Tavi. »Planen ist nicht gerade seine Stärke.« Tavis Magen verkrampfte sich vor Hunger und gab ein Knurren von sich. »Also, wir müssen los. Kommst du mit oder nicht?«
    Ehren biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. »So hungrig bin ich gar nicht. Sehen wir uns im Unterricht?«
    Tavi war zwar enttäuscht, legte Ehren jedoch die Hand auf den Arm. Er konnte den Widerwillen des kleineren Jungen verstehen. Ehren war bei seinen Eltern zwischen Büchern und Tabellen aufgewachsen, und sein hervorragendes Gedächtnis und seine Fähigkeiten in Mathematik machten den Mangel an starker Elementarbeschwörung mehr als wett. Doch diese armselige Grausamkeit, mit der manch junger Elementarwirker jene behandelte, die ihm nicht gewachsen waren, hatte Ehren nicht kennen gelernt, ehe er an die Akademie gekommen war.
    Tavi hingegen hatte mit diesem Problem sein ganzes Leben zu kämpfen gehabt.
    »Wir treffen uns im Unterricht«, erwiderte er.
    Der kleinere Junge spielte mit den tintenfleckigen Fingern an der Kordel herum. »Bist du sicher?«
    »Keine Sorge. Ich schaffe das schon.« Damit trat Tavi um die Ecke und ging über den Hof auf den Speisesaal zu.
    Einige Sekunden später hörte Tavi eilige Schritte hinter sich, und Ehren gesellte sich schnaufend zu ihm, nervös zwar, aber
entschlossen. »Ich sollte mehr essen«, sagte er. »Sonst wachse ich nicht mehr.«
    Tavi grinste ihn an, und die beiden setzten den Weg gemeinsam fort.
    Die Frühlingssonne erwärmte die kühle Luft aus den Bergen, welche die Hauptstadt Alera umgaben. Der Hof der Akademie war ein wunderbar bepflanzter Garten, durch den verschlungene, mit weißem
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