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Im Papierschiff bis nach Irland (German Edition)

Im Papierschiff bis nach Irland (German Edition)

Titel: Im Papierschiff bis nach Irland (German Edition)
Autoren: Gabriele Kowitz
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und lesen nicht weiter. Am allerbesten, Sie werfen sie gleich in den
Papierkorb!
    Allen, die
jetzt noch weiterlesen, möchte ich ein Geständnis machen: Manchmal überkommt
auch mich die Aufräumwut. Das ist keine Krankheit, obgleich es sich gefährlich
danach anhört. Nein, die Aufräumwut scheint mir eher ein Weg zu einer Heilung
zu sein. Heilung für Nerven, die es nicht mehr ertragen können, dass ständig
einer fragt: “Mama, wo ist denn …?“ Heilung für Schultern, mit denen man
immerzu zucken muss, um die Antwort: „Ich weiß es nicht“ zu unterstreichen.
Heilung gegen Unruhe, die sich, wenn man es nur eilig genug hat, auch gerne in
Ungeduld oder gar Hektik ausweiten kann, die sich zum Beispiel beim Suchen des
Pizzamessers einstellt: „Das verstehe ich nicht. Das Pizzamesser muss doch in
der linken Küchenschublade sein!“, schimpfe ich vor mich hin. „Vielleicht hat
Papa es in die rechte Schublade gelegt“, versucht mich meine Tochter zu
unterstützen. Sie sitzt am Esstisch mit ihrer Pizza auf dem Teller und weiß genau,
dass es keinen Zweck hat, mich jetzt darauf hinzuweisen, dass ihr Essen kalt
wird, während ich in der Schublade krame. Mein Sohn, der ebenfalls vor seiner
Pizza sitzt, schweigt vorsichtshalber. Endlich habe ich das Messer gefunden.
    „So geht das
nicht weiter!“, gestehe ich mir still ein und denke daran, dass mich erst heute
Vormittag meine Freundin nach Plastikschildchen gefragt hat, die sich ebenfalls
sicher in der linken Küchenschublade befanden. Angekündigt hatte ich vier
Schildchen, gefunden haben wir (nach einer Weile) zwei. Nein, so geht das nicht
weiter! Gute Vorsätze sind zwar gut (so heißen sie ja auch), aber noch besser
ist es, sie gleich in die Tat umzusetzen. Folglich gönne ich mir nach dem Essen
nicht gemütlich erst mal eine Tasse Kaffee, sondern lasse die Wut heraus – die
Aufräumwut. Schublade auf und los geht’s: Ein Teil eines Salatbestecks. Acht
Fonduegabeln, ordentlich mit einem Gummiband umwickelt. Ein zweites
Salatbesteck. Eine Würstchenzange, eine Schere, Tesafilm, ein Feuerzeug, noch
eine Schere, Rührbesen, noch ein Salatbesteck (meine Kinder essen überhaupt
keinen Salat, daher gibt es nur selten Salat. Warum habe ich so viele
Salatbestecke?), einige Bierdeckel, eine angefangene Packung mit neuen
Batterien, ein Käsemesser, ein Schraubendreher. Den Schraubendreher sollte ich
sofort in den Werkzeugkasten räumen. Jedoch muss ich zugeben, dass dieser
ebenfalls ein ganz klein wenig unsortiert ist. Ein Spargelheber, Gummibänder,
ein Würfel, eine Suppenkelle, ein Dosenöffner, ein Pfannenwender, ein Brotmesser,
ein Flummi, eine Knoblauchpresse, Büroklammern … So langsam kann ich den Grund
der Schublade erkennen und stelle fest, dass ich erst mal alles rausräumen
muss, weil sich bereits etliche Krümel auf dem Boden angesammelt haben. Ich
finde Fußballbilder von der WM vor acht Jahren. „Oh, da muss ich Leo fragen, ob
er sie noch braucht.“, spukt es mir durch den Kopf. Bis sich die Vernunft zu
Wort meldet: „Was soll er denn wohl mit den alten Dingern? Wirf sie weg!“
„Aber, er könnte sie doch noch brauchen. Ist vielleicht ganz lustig, die alten
Nationalspieler noch mal anzusehen. Ich sollte die Bilder aufheben. In zwanzig
Jahren kennt die bestimmt keiner mehr:“ „Eben, die kennt dann keiner mehr, wirf
sie weg!“ Ich werfe die Fußballbilder in den Mülleimer. Gleich danach finde ich
die vier Plastikschilder, die meine Freundin gesucht hat. „Ich kann sie anrufen
und ihr sagen, dass ich alle vier Schildchen gefunden habe. Die hebe ich erst
mal auf.“ „Sie wollte aber doch die beiden, die sie gefunden hatte, schon nicht
mitnehmen. Wirf sie weg!“ „Vielleicht kann ich sie ja für etwas anderes
brauchen …?“ Ich werfe die vier Plastikschildchen in den Mülleimer. Jetzt
entdecke ich zwei weitere Flummis. „Darüber werden sich die Kinder freuen. Die
kann ich ihnen sofort geben.“ Schon will ich Luft holen, um Julia und Leo zu
rufen, da scheint mir jemand ins Ohr zu flüstern: „Du kannst Flummis nicht
leiden. Draußen hüpfen sie in alle Himmelsrichtungen auf Nimmerwiedersehen
davon. Und wenn die Kinder drinnen damit spielen, musst du um die Einrichtung
des Hauses fürchten. Wirf sie weg!“ Ich bin mir nicht sicher, ob die Flummis in
den Restmüll oder in den Recycling-Müll gehören und lege sie erst mal wieder in
die Schublade. Ich bin erleichtert – die Mülleimer-entscheidung ist
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