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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins
Autoren: Pablo Tusset
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dass sie die Ausführenden in der Schlachthofgeschichte waren. Du hast genügend aussagekräftige Beweise, so dass Dein Gewissen ruhig bleiben darf, falls es sich wieder einmal ziert. Verkaufe dem Eigentümer diesen Vorschlag und arbeite für ihn … Fürs Erste, bis ich eine Möglichkeit finde, mich von ihm mit einem Schlag zu befreien … Er muss nicht besonders intelligent dafür sein, um zu begreifen, dass Du zehnmal wertvoller für ihn sein wirst, als dieser Inbegriff an Großmäuligkeit, der jetzt für ihn arbeitet. Manchmal ist das die beste Strategie: Verbrüdere Dich mit dem Kopf Deiner Feinde, damit er sie selbst fertigmacht. Ich kümmere mich dann um den Rest.«
    P hat T aufmerksam zugehört. Jetzt spürt er eine starke Müdigkeit in sich aufsteigen. Er würde so gern schlafen, sogar bei dieser Eiseskälte, die sich in der Wohnung ausgebreitet hat. Aber er reißt sich zusammen, steht vom Tisch auf und sucht seinen Anorak.
    »Du bist irre … Du bist ein Mörder«, sagt er zu T.
    »Wo zum Teufel willst du denn jetzt hin?«
    »Ich lasse mich nicht länger von Dir benutzen.«
    T grinst: »Siehst Du, ich wusste ja, dass Du in der Lage bist, irgendeine Dummheit zu machen … Wie sieht denn Dein Plan aus? Willst Du Dich an den gütigen Allmächtigen mit dem Bart wenden, damit er Dich vor der Hölle bewahrt? Worauf setzt Du Dein Vertrauen: auf einen eschatologischen Garten Eden?«
    P sucht in der Anoraktasche nach seinen Handschuhen: »Ich bin Inspektor. Ich wurde verdeckter Ermittler, um Leuten wie Dir das Handwerk zu legen. Ich kann nicht anders.«
    T lacht lauthals, aber unaffektiert auf: »Wer wählt was? Hast Du Deine Vergangenheit gewählt? Denkst Du, dass Du dafür Deine Zukunft wählen kannst? Es gibt einen mächtigeren Gott als den halbwegs christlichen, an den Du noch nicht einmal fest glaubst. Neben dem Chaos und dem Kosmos, neben Eros und Thanatos, neben Satan und Jahwe regiert ein noch mächtigerer Herr: Es gibt einen Schiedsrichter, der bei jedem Kampf unter niederen Gottheiten den Sieger bestimmt. Du kennst seinen Namen. Du kennst ihn in mehreren Sprachen. Du hast ihn sogar schon einmal im Wörterbuch nachgeschlagen. Auf Italienisch heißt er azzardo; auf Spanisch azar, auf Englisch hazard; auf Arabisch zahar, wie die Blume, kurz: der Zufall. Das Unvorhersehbare, Unwägbare, das Unerwartete, das Unglück und Tod mit sich bringt: die Gefahr, zu existieren.«
    »Es gibt eine ganz einfache Art, um die Gefahr zu beenden, dass Du existierst«, sagt P und schaut T in die Augen.
    Trotz der ruhigen Entschlossenheit sieht Ps Aufbruch nach Flucht aus. Er will kein Gepäck tragen müssen, er will sich lediglich gegen die Kälte wappnen, aber noch mehr Kleidung kann er sich nicht überziehen. Er geht noch einmal in den großen Raum, um die Brieftasche mit seinen Papieren zu holen, dann geht er durch das Halbdunkel des Flurs und öffnet die Ausgangstür, die rechts von der Diele ist. Vor der Tür liegt orangefarbener Teppichboden. Im Hintergrund ist das Schnauben des Staubsaugers zu hören und ein paar Stimmen, die Spanisch sprechen. Die Jungfrauen und der Minotaurus.
    T begleitet P die Treppen hinunter auf die Straße.
    »Ich habe das Gefühl, dass Du mich unterschätzt. Ich bin nicht Brad Pitt …«, sagt er zu ihm. »Aber, was soll’s, ich folge Dir: Es beginnt mir langsam Spaß zu machen, zu erfahren, wie das hier ausgeht.«
    ***
    Draußen ist Nacht. Aber es ist unklar, welche Nacht. Ps Zeitgefühl hat sich verloren. Er weiß nicht, wie lange sein letzter heller Moment am Vormittag her ist. Vier Stunden könnten seitdem vergangen sein oder auch drei Monate. Die qualmenden Trümmer der Kirchtürme sind bis ins Gärtchen gefallen. Nichts rührt sich auf der Straße. Ein schwarzes, völlig vom Schnee befreites Auto lässt sich immerhin auf die Entfernung vor dem Hostal erahnen. Noch davor sind die gelben Taxidächer halb verschüttet. Goliaths riesiger Kadaver ist voller Staub, sein Überrock ein einziger Lumpen. Im Café unter den Arkaden brennt kein Licht. Ebenso wenig wie in allen anderen Fenstern.
    P spaziert mit den Händen in den Anoraktaschen bis zu der Ecke, an der die Genossenschaft liegt. Auch die ist dunkel. T läuft ein paar Schritte hinter ihm: »He«, sagt er zu ihm. »Du läufst in die falsche Richtung.« P achtet nicht auf ihn. Er biegt in den West Broadway, um zur Brückenstraße zu gelangen. Vom Straßenverkehr oder von Fußgängern ist nichts zu sehen. Nur die ausgeschaltete
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