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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins
Autoren: Pablo Tusset
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von der Autobahn ab und nehmen die Landstraße Richtung Küste. An diesem Sonntagmorgen fahren sie noch ein gutes Stück weiter Richtung Norden. Als der Kommissar die ersten Weiden sieht, fühlt er sich augenblicklich wohler. Er hat sich immer als ein Mensch der Berge verstanden, einer, der in der Stadt nur im Exil lebt, obwohl sie eigentlich nicht zu ihm passt. Sie nehmen eine Straße, die westlich immer tiefer in das Landesinnere hineinführt. Sie steigt an, bis sie auf ein hochgelegenes, breites Tal stoßen, das gleichzeitig die Grenze der Region ist. Auf einer kurvigen Straße fahren sie immer tiefer hinein in einen dichten Wald.
    »Sind wir hier richtig?«, fragt der Kommissar zweifelnd.
    »Wenn man den Schildern glaubt, ja …«
    »Darauf kann man sich nicht verlassen. Wenn ein Inspektor der Mordkommission seine Zigarette in einem Auto der Dienststelle ausdrückt, dann können Sie sich ja vorstellen, was ein Hilfsarbeiter des Verkehrsamts mit Straßenschildern anstellt.«
    Doch das ermüdende Zickzack des Sträßleins scheint sie gleichwohl an den richtigen Ort zu führen: SAN JUAN DEL HORLÁ steht auf einem kleinen, beschmierten Wegweiser. Direkt davor wartet ein Citroen der örtlichen Polizei am Straßenrand. Die uniformierten Beamten, ein Mann und eine Frau, stehen neben dem Wagen und schauen in die Richtung, aus der der kleine granatfarbene Peugeot angefahren kommt. Das Blaulicht haben sie angelassen.
    »Was für eine idiotische Art und Weise der Batterieverschwendung«, grummelt der Kommissar.
    »Wie bitte?«
    »Das Blaulicht … Glauben die denn, wir hätten sie sonst nicht erkannt?«
    Der Kommissar schnallt den Sicherheitsgurt ab. Mit einigen Schwierigkeiten steigt er aus. Eine Hand stützt sich dabei am Dach ab. Dann tritt er ohne sein Jackett zu nehmen hinaus auf die schattige Straße. Ein perlgrauer Pullover muss einem Mann der Berge reichen, selbst wenn er im Urbanen Exil hängen geblieben ist. Er schaut auf den steilen Felsen, der aus dem Gebirgsmassiv herausragt. Ein quadratisches Haupt aus grauem Stein, das auf zwei niedrigeren Schultern sitzt. Das ist der Monte Horlá: Der Kommissar kennt ihn von Fotos. Er streckt ein Bein aus, dann das andere, geht dann schnurstracks auf die unschlüssig herumstehenden uniformierten Beamten zu, die auf einen Vorgesetzten aus der Hauptstadt warten. Sie wissen ja noch nicht, dass der so ordentlich wirkende Mann um die sechzig, der da gerade aus dem winzigen Peugeot herausgeklettert ist, eben jenes hohe Tier aus der Stadt ist.
    Dem Kommissar wurde es nicht in die Wiege gelegt, einnehmend zu lächeln. Deshalb lässt er es bleiben:
     »Guten Tag. Hauptkommissar Pujol vom zentralen Morddezernat.« Er deutet auf seinen Hals, um zu verstehen zu geben, dass seine Stimme normalerweise anders klingt. Die Beamten grüßen jetzt zackig. Mit einer lässigen Handbewegung grüßt der Kommissar zurück. »Kann man auf dem Weg noch irgendwo einen Kaffee trinken? Ich würde gern etwas Heißes trinken. Wegen meiner Stimme …« Der ortskundige Beamte bejaht.
    Der Tatort sei nur etwa zwei Kilometer entfernt, dort gebe es Kaffeeautomaten. Der Kommissar gibt zu verstehen, dass sie hinter ihnen herfahren werden. Diesmal gelingt ihm sogar ein Lächeln, nicht aus Höflichkeit, sondern weil er sich auf eine Tasse heißen Kaffees freut. Bei der Gelegenheit schaut er der weiblichen Beamtin scharf in die Augen. Der Kommissar weiß zu gut, dessen hat er sich oft genug vor dem Spiegel vergewissert, dass bei ihm höchstens ein Lächeln die Defizite seiner Erscheinung wieder wettmachen kann.
    Sie steigen in die Autos. Es ist ein klarer Tag. Der letzte Frühnebel steigt im gelben Sonnenlicht neben der Landstraße empor. Eine verlassene Fabrik, eine zerfallene Wassermühle und eine Steinbrücke, die über den Bach führt, lassen sie hinter sich zurück. Dann fahren sie wieder tiefer in den Wald hinein, der über ihnen zusammenwächst wie ein lichtdurchlässiger Laubtunnel.
    Der Kommissar sieht ein rot-weißes Industriegebäude, das sich in die dichte Vegetation duckt und aussieht wie ein notgelandetes Raumschiff. Zwischen den Bäumen ist das viereckige Türmchen zu erkennen, an dessen Ende das Firmenlogo gemalt ist: UNI-PORC. Alles in demselben leuchtendem Rot auf weißem Hintergrund.
    Als sie am Ende eines mehr schlecht als recht asphaltierten Weges angekommen sind, biegen sie nach links und stehen vor einem Tor, das von einem Wachdienst aus einer Pförtnerloge gesichert wird. Als die beiden
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