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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins
Autoren: Pablo Tusset
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Wagen ankommen, hebt sich ohne weitere Umstände die Schranke. Die Parkfläche auf dem Gelände ist weitläufig. Obwohl zwei große Kühllaster und mehrere Lieferwagen dort stehen, wirkt der Platz verlassen. Die Flotte ist komplett in den weiß-roten Firmenfarben gespritzt und mit dem Firmenlogo versehen. Die anderen Autos stehen in der Nähe der Büros und des Eingangsbereichs: ein weiterer Citroën sowie zwei Polizeimotorräder, mehrere Personenwagen, ein Sportwagen, zwei dunkle, glänzende Limousinen und ein Geländekrankenwagen mit Blaulicht.
    Der Kommissar räuspert sich, während sie neben dem Citroën parken. Varela nimmt an, dass er sich gleich zu einem weiteren Kommentar über Batterieverschwendung hinreißen lässt.
    »Varela, wie viele Leichen haben Sie schon gesehen?«
    »Wie bitte?«
    »Leichen, Tote. Wie viele haben Sie gesehen?«
    »Keine Ahnung … Einige.«
    »Auch schon was Spektakuläreres?«
    »Na, ja … eher das Normale halt: Erstochene, auch einen Gesteinigten …«
    »Gut; das hier ist etwas spezieller. Solange ich Ihnen nichts anderes sage, folgen Sie mir wie ein Schatten, wohin auch immer ich gehe. Und halten Sie sich bereit, um alles zu notieren, was ich gern notiert hätte. Verstanden?«
    »Verstanden.«
    Diesmal nimmt der Kommissar sein Jackett von der Rückbank und zieht es an. Das Ultramarin des Stoffes passt zu dem der Krawatte, auf der auch winzige weiße Monde zu sehen sind. Ihm ist nicht kalt, aber er wird vermutlich mit dem einen oder anderen Politiker zu reden haben. Und mit der Richterin, die genervt sein dürfte, weil sie schon so früh hier sein musste. Er hofft darauf, dass wenigstens irgendein Gerichtsmediziner der regionalen Mordkommission auf ihn gewartet hat. Fürs Erste, denkt er, kommt es nun darauf an, auf alle Details zu achten: so, wie sie ihm zufällig in den Weg kommen. Er bleibt vor dem geparkten Sportwagen stehen. Es ist ein schwarzer Porsche 911 Cabriolet mit einem cremefarbenen Stoffdach und goldenen Felgen. Es scheint sich um ein älteres Modell zu handeln, möglicherweise aus den sechziger Jahren. Auf dem Nummernschild stehen noch nicht einmal Buchstaben. Die ganze Gefolgschaft des Kommissars, Varela und die zwei Polizisten, warten und schauen sich auf die Schuhspitzen, während der Kommissar neugierig durch die Scheiben in den Porsche späht. Er hat sich leicht vorgebeugt und die Arme auf dem Rücken verschränkt. Auf dem Beifahrersitz sieht er ein schwarz eingebundenes Buch. Er kann den Autor nicht erkennen, aber den Titel lesen: Los Cantos de Maldoror. Das sagt dem Kommissar rein gar nichts.
    Dann gehen sie unverzüglich durch die Glastüren, die sich automatisch öffnen, in die Eingangshalle. Der Angestellten hinter der Empfangstheke steht der Schrecken noch ins Gesicht geschrieben. Sie hat zum Telefonieren eine Art Kopfhörer auf. In der Augenbraue steckt ein silbernes Spießchen, so wie sie jetzt modern sind. Die Kontrolle im Eingangsbereich haben zwei der hiesigen Beamten übernommen, die sofort grüßen, als der Kommissar hereinkommt. Sie erhalten eine seiner vagen Handbewegungen zur Antwort. Die gesamte Eingangshalle im Stil der Neunziger strahlt etwas Luxuriöses aus: mit Anilin aufgehellte Fichte, matter Stahl, Halogenlampen und große, leuchtend rote Sessel, die wie Blutgerinnsel auf dem Parkett stehen. Die beiden Computer auf der Theke sind ebenfalls rot und von Apple. Der Kommissar hat das Modell schon woanders gesehen. Es sieht aus wie ein großes transluzides Ei. Normalerweise stehen diese Dinger nicht in einer Eingangshalle … Er würde wetten, dass der Leiter des Unternehmens noch keine vierzig Jahre alt ist und einen sehr viel älteren Schlachthof geerbt hat, der vor dem jetzigen Schiff einmal hier gestanden haben dürfte. Seine Jugendjahre wird er in der Hauptstadt verbracht haben, und der Porsche am Eingang dürfte auch ihm gehören. Er nimmt sich vor, die Dinge heute vorherzusehen. Das bringt ihn ein zweites Mal an diesem Vormittag zum Schmunzeln: mit dieser Art von Ratespielchen hat er sich das letzte Mal vor genau zwölf Jahren die Zeit vertrieben. Es ist die Gelegenheit, vermutlich die letzte, bevor er pensioniert wird.
    Im zweiten Stock steigen sie aus dem Fahrstuhl. Einer der Beamten überholt sie und klopft an eine Doppeltür, um sie anzukündigen. Drinnen hört man das Rücken von Stühlen. Als der Kommissar und Varela den Saal betreten, streckt ihnen ein Mann um die vierzig mit Rollkragenpulli, langen, feinen Koteletten und einem
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