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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins
Autoren: Pablo Tusset
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angestrengtem Gesicht und einiger Mühe zerkleinert er den weichen Körper, der sich zwischen seinen Zähnen hin und her bewegt. Dann spuckt er ein Stück von der Spinne auf den Boden und wirft den Rest, den er noch in der Hand hat, hinüber zum Tisch. Vor Ps Füßen landet die Hälfte des Hinterleibs, an dem sich immer noch drei, vier Beinchen bewegen. Reflexartig zerquetscht P mit dem Schuh die Spinne, ohne vom Stuhl aufzustehen. Es sieht fast so aus, als fände er Gefallen an der leblosen weichen Masse, die einen rotschwarzen Fleck auf den Fliesen hinterlässt.
    »Das ist es«, sagt T als er Ps Bewegung beobachtet, »Zerstöre Deinen Feind. Aber nicht nur Deinen Feind. Zerstöre alles, was sich Deinem Willen widersetzt. Zerstöre auch mal aus purer Lust und Laune, um die Macht zu spüren, die Du über die Welt hast. Aber bitte ohne jedes Mitleid. Denke daran, was der Vampir Lestat sagte: ›Gott tötet ohne Unterschied; wir auch.‹«
    P hebt den Schuh von der toten Spinne. Irgendetwas klebte noch an der Sohle. Durch die Bewegungen des Fußes entsteht ein Blutbogen auf dem Boden: »Weißt Du, ich bin da anderer Meinung, aber darum geht es jetzt gar nicht. Falls Du mir nicht schleunigst hilfst, mich in der Realität zu orientieren, werden wir jedenfalls wahrscheinlich beide gemeinsam sterben …«
    »Darum geht es doch ebenso wenig. Das wäre doch absurd: Niemand weiß, was real ist und was nicht. Als könnte man Landkarten der Realität zeichnen … Was hältst du davon, wenn ich sage, dass die Spinne lediglich deshalb ein Problem darstellte, weil du panische Angst vor Spinnen hast, okay? Wenn Du eine Stubenfliege gesehen hättest, wäre es Dir egal gewesen, ob sie echt ist oder nicht. Deshalb müsstest Du Dich eher fragen, wovor Du Angst hast: Da liegt der Hase im Pfeffer.
    Und es macht mir ganz den Eindruck, als wärst Du noch nicht bereit, Dich dieser Frage zu stellen … Ich könnte mir sogar vorstellen, dass Du irgendeinen Unsinn machen wirst … Hast Du den Film von Alejandro Amenábar gesehen über die Gespenster, die nicht wissen, dass sie welche sind? … Woran erinnern mich diese Worte? …« Er geht erneut zu der Madonna von Bellini. Seine Hände sind auf dem Rücken verschränkt.
    »Stell mich auf die Probe«, sagt P. »Du warst doch immer derjenige, der Herausforderungen und Mutproben geliebt hat …«
    »Nein, lass gut sein …«
    P weiß, wo seine wunden Punkte liegen: »Du hast Angst vor mir, ist es das?«
    T lacht.
    »Du weißt ja selbst, dass ich Dich auslöschen könnte«, drängt P weiter.
    T sagt nichts.
    »Deswegen solltest Du besser tun, was ich Dir sage … «
    T hört an einem eisigen Punkt für drei Sekunden auf zu atmen. Man meint ein Schnarchen zu hören, vielleicht auch nur ein leises Knurren, bevor er sich plötzlich umdreht: »Dir gehorchen?« Er macht zwei Schritte auf P zu, der immer noch mit dem Rücken zu ihm sitzt. Er legt beide Hände auf Ps Schultern. Drückt ein bisschen zu. Danach dreht er mit einer Umarmung den Hals zur Seite, geht dicht mit dem Gesicht heran, um ihm etwas ins Ohr zu sagen: »Brüderchen, Du willst doch nicht wirklich herausfinden, wer wem gehorcht und wer vor wem Angst hat, oder?«
    P antwortet nicht. Er bekommt einen Magenkrampf. T merkt es. Er spürt die Unsicherheit intuitiv. Sie erregt ihn. Er lässt ihn los und setzt sich mit einer schnellen Bewegung auf den gegenüberliegenden Stuhl. Dann sagt er im Tonfall eines Zeremonienmeisters, der dreimal in die Hände klatscht: »Meine Damen und Herren, die Vorführung kann beginnen.«
    In diesem Augenblick kracht der nördliche, weiter von ihnen entfernte Kirchturm ein. Man hört das Getöse, der Boden bebt, die Fensterscheiben zerspringen hinter den geschlossenen Fensterläden, das Holz splittert und ein feiner Staub dringt herein, der in der Luft liegt. Das elektrische Licht flackert, dann erlischt es, wodurch es vollkommen dunkel im großen Zimmer wird.
    Einer der Taubstummen taucht auf dem Flur auf und bringt einen zweiarmigen Kerzenständer herein, den er zwischen die zwei auf den Tisch stellt. Die Gesichter von P und T werden vom Kerzenschein beleuchtet. Ein Halbdunkel aus Zementstaub, an dessen Rändern sich, hinten im großen Raum, ein unscharfes Bild aufzubauen beginnt.
    ***
    Ein dunkles Vorzimmer mit Teppichboden. Die Tür links ist geschlossen. Rechts hängt eine Reproduktion der Madonna mit Kind vor einer Landschaft von Bellini. Gegenüber steht eine alte Holzbank. Auf der Bank sitzt ein etwa
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