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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman
Autoren: Amanda Coplin
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Sie war krank. Es gab zu vieles, was sie sagen wollte.
    Doch schließlich fing sie sich wieder, und sie sprachen miteinander. Della hörte sich fragen, ob das Mädchen glaube, sie habe die richtige Entscheidung getroffen, als sie sich nicht in dem Schrank verstecken wollte. Das Mädchen war zwiegespalten, gab ihr keine eindeutige Antwort. So viel immerhin konnte Della daraus schließen: Sie warf ihr nicht vor, was sie getan hatte. Deutete Verständnis dafür an, dass Della ihre Gründe gehabt habe, nicht auf das Schiff zu gehen.
    Hauptsächlich war es schön, sie dazuhaben – eine junge Frau, keine Frage, und so fein und höflich; Janes Tochter. Wie ähnlich sie Jane sah – doch wenn sie sprach, verschwand Jane. So war das eben, dachte Della. So sollte es sein, von Anfang an. Jane hatte sie gewarnt: Kinder kommen, um deinen Platz einzunehmen. Sie leben weiter auf der Erde, wenn du nicht mehr da bist, und vergessen dich. Es ist nicht ihre Schuld.
    Deine Mutter hat immer gesagt …, begann Della plötzlich, nachdem sie und das Mädchen sich bereits verabschiedet hatten; das Mädchen stand schon fast. Jetzt schaute sie Della mit großen Augen an. Überrascht.
    Deine Mutter …, fuhr Della unwillkürlich fort, obwohl sie wusste, dass sie lieber still sein sollte, doch dann merkte sie, dass sie nicht weiterreden konnte. Wie beschrieb man einen Traum? Ein Gefühl?
    Was hat sie immer gesagt?, fragte Angelene nach einer Weile.
    Della, die in eine Ecke des Raums schaute, hatte vergessen, was sie sagen wollte.
    Sie hat gesagt … dass du bestimmt ein wunderbarer Mensch werden würdest. Dass du besser sein würdest als wir alle zusammen. Und sie hatte recht. Dir ist nichts Schlimmes passiert. Du hast ein gutes Leben. Du hast doch ein gutes Leben, oder?
    Einen Moment lang war es still, bevor das Mädchen antwortete.
    Ja.
    Della wollte ihr so viel erzählen. Sie wünschte, sie könnte sie umarmen.
    Das Mädchen stand verlegen hinter der Trennwand.
    Della zwang sich, ihr in die Augen zu sehen, wenigstens kurz.
    Das Mädchen war schüchtern.
    Danke, dass du mich besucht hast, sagte Della.

    Als Clee aus dem Gefängnis entlassen wurde, war niemand da, um ihn abzuholen; das hatte er so arrangiert. Er hatte den Cowboy gebeten, im Stall ein Pferd für ihn bereitzuhalten, und das war der einzige Gefallen, um den er bat.
    Das Pferd war ein Rotfuchs-Wallach: muskulös, groß, mit einem weißen Stern auf der Stirn, weißen Fesseln. Er sattelte es, führte es hinaus und sog die Farben des Tages auf. Den Himmel; den Schimmer des Pferdefells. Den Geruch von Pferdefleisch, Staub und Sonne. Clee legte dem Pferd die Hand an die Seite. Der Cowboy hatte eine gute Wahl getroffen; hatte gewusst, was Clee gefallen würde. Zögernd – die Vorfreude war groß, und sie war die schönste Freude – saß er auf. Suchte die richtige Position im Sattel, nahm die Zügel auf. Das Pferd schritt zurück und wieder vor. Schnaubte. Scharrte mit den Hufen. Clee packte es mit einer Hand am Widerrist und straffte gleichzeitig die Zügel. Ließ das Pferd einen engen Kreis abschreiten. An der Art, wie es sich bewegte, merkte Clee, dass der Cowboy es trainiert hatte. Clee gab ihm die Sporen und preschte in vollem Galopp zur Straße. Weg vom Stall, weg von der Stadt.
    Clee verließ diesen Ort für immer.
    Er war zwei Wochen lang allein unterwegs. Ritt gen Osten, gen Norden, dann wieder gen Osten und schließlich nach Süden in die Berge. Es war Spätsommer: Früh am Morgen in den Sawtooths sah er meilenweit den Raureif glitzern. Er ritt und ritt. Irgendwann erreichte er die Wallowas, und dann kannte er sich aus.
    Der Cowboy war auf dem Feld, als Clee auf das Wallowa-Gehöft ritt, und hob den Arm. Ein Kind kam zu ihm gelaufen, welchen Geschlechts, konnte er nicht erkennen, bis es direkt bei ihm war – ein Junge –, und dann rannte es auch schon wieder weg und rief: Vater! Vater! auf Nez Percé.
    Er blieb zum Abendessen. Im Haupthaus – eng, verräuchert, zweistöckig – wohnten der Cowboy, seine Frau und ihre Kinder. Diejenigen, die nicht ins Haus passten, schliefen draußen, in Zelten, Tipis und Nebengebäuden. Mehr oder weniger vollständig bekleidete Kinder rannten herum, kamen geradewegs zu Clee oder spähten hinter Bäumen und Schuppen hervor. Andere Familien – oder alleinstehende Männer – lebten und lagerten ebenfalls hier.
    Am ersten Abend aßen sie Wild und Sommerkürbis. Er saß da und konnte nicht genug davon bekommen, ihnen allen beim
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