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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman
Autoren: Amanda Coplin
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die zugedeckten Scheffel voller Äpfel und Aprikosen, und der Wagen knarrte unter ihrem Gewicht; der alte, vertraute Rhythmus, in Übereinstimmung mit seinen weit schweifenden Gedanken. Er war benommen, von der Sonne außer Kraft gesetzt. Die Berge, kalt, in seinem Rücken. Es war Juni; die Straße schon staubig. Leicht zusammengesunken saß er da, den weichen Kalbsfellhut in der Stirn, darunter ein finsterer Blick, in dem keinerlei Feindseligkeit lag. Die Zügel locker in den großen Händen mit den geschwollenen Knöcheln.
    Er fuhr von den Weizenfeldern her in die Stadt hinein, die Hauptstraße entlang. Ruhe. Es war Sonntag. Die näher gelegene Kirche – die methodistische war auf der anderen Seite der Stadt – hatte wohl ihre Gemeinde noch nicht entlassen, dachte er. Er machte vor dem Futtermittel- und Haushaltswarenladen fest, tränkte das Maultier. Während er den Obststand aufbaute – die mit Sackleinen bedeckten Scheffel zu sich heranzerrte, sie enthüllte und ablud –, kam eine Frau um die Ecke, betrat den Gehweg und näherte sich ihm. Eine Hälfte ihres Gesichtes war marmoriert und rosa, wie verbrannt, ihr Mund eine zornige Falte. Sie hielt einen Leinensack abwehrend an die Brust gedrückt, bückte sich und inspizierte den schon aufgestellten Scheffel mit den Arkansas Black. Sie streckte die Hand nach einem aus, berührte ihn aber nicht; beäugte skeptisch einen Scheffel mit blasseren Äpfeln, den er gerade abdeckte. Was sind das für welche?
    Er schaute hinunter. Greenings. Rhode Island Greenings.
    Seine Stimme klang tief und unbenutzt; er räusperte sich. Die Frau wartete ab, begutachtete die Äpfel. Gut. Ich nehm ein paar davon. Aus den Falten ihres Rocks förderte sie eine mattgrüne Geldbörse zutage. Wie viel?
    Er nannte ihr den Betrag. Sie zählte ihn mit spitzen Fingern ab und gab ihm das Geld passend.
    Während er den Leinensack mit Früchten füllte, blickte die Frau sich um.
    Gucken Sie mal, wen man uns da angeschleppt hat, sagte sie. So wie die zwei hier rübergucken, sollten Sie aufpassen, dass die Ihnen nichts klauen. Sehen aus wie Rowdys. Sie schniefte.
    Einen Moment später schaute er selber hin. Nicht weit von ihnen, unter der Markise des Eisenwarenladens, standen zwei Mädchen – zerlumpt, mit schmutzigen Gesichtern –, einander verschwörerisch halb zugewandt. Als sie sahen, dass er und die Frau sie beobachteten, kehrten sie ihnen den Rücken zu. Er gab der Frau den Leinensack, der jetzt schwer und unförmig war von dem Obst.
    Die Frau zögerte, den Blick immer noch auf die Mädchen gerichtet, drehte sich dann um, nickte ihm kurz zu und ging die Straße hinunter.
    Er holte seinen hölzernen Klappstuhl vom Wagen und setzte sich neben die Scheffel. Wind kam auf und fegte Sand über den Gehweg, dann war es wieder ruhig. Es würde Regen geben; vielleicht noch am Abend oder früh am nächsten Tag. Die Mädchen gingen weiter. Vor dem Schaufenster des Kurzwarenladens blieben sie stehen und schauten, die Schultern eng aneinandergedrückt, hinein. Eine Bö blies ihnen die Kleider flach gegen die Waden, doch sie rührten sich nicht von der Stelle. Er zog sich den Hut tiefer in die Stirn. Was gingen ihn schon zwei Mädchen an? Er döste. Wachte auf, als ihn jemand ansprach:
    Talmadge? Die beiden Mädchen da haben Sie gerade beklaut.
    Er schob den Hut nach hinten. Ein Junge mit schlaffem Mund gaffte ihn an.
    Ich hab’s gesehen, sagte der Junge. Ich hab’s beobachtet. Für ’nen Nickel renn ich hinterher und bring Ihnen die Äppel wieder.
    Die Mädchen waren schon weiter gekommen, als Talmadge gedacht hätte. Sie ächzten beide, so sehr strengten sie sich an, schnell zu rennen. Immer wieder fielen ihnen Äpfel aus den geschürzten Kleidern, und sie gingen in die Hocke oder bückten sich unbeholfen, um sie aufzuheben. Die Unbeholfenheit rührte, wie er jetzt sah, von ihren grotesk geschwollenen Bäuchen her. Er hatte vorher nicht bemerkt, dass sie schwanger waren. Die eine, die etwas näher bei ihm war – klein, Schmollmund, das Haar ein großer Bienenstock um ihren Kopf –, blickte über die Schulter zurück und rief etwas, ließ dann den Saum ihres Kleides los und stolperte durch die dumpf aufschlagenden Äpfel. Die andere riss den Kopf herum. Sie war größer, hatte schwarze Augen, den heftigen Schreckreflex eines Falken. Die Haare lagen in einem dicken Zopf über ihrer Schulter. Sie packte die Kleinere am Handgelenk und zerrte sie hinter sich her, und so liefen sie die leere
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