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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman
Autoren: Amanda Coplin
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Kaffee.
    Sie war die Verandastufen hinuntergegangen und blinzelte in der Sonne. Sie sind noch nicht reif …
    Bring mir trotzdem eine.
    Sie ging los, pflückte eine Aprikose vom nächststehenden Baum – zögernd, nach der besten suchend – und brachte sie ihm. Er strich sich damit über die Oberlippe, biss hinein, kaute.
    Pflück gleich morgen früh ein Achtelscheffel davon, sagte er. Und fahr dann zu ihr.
    Angelene stutzte. Einen Moment später sagte sie: Zu …
    Steig in den Zug und fahr zu ihr.
    Sie schaute weg, wischte sich vorne an ihrem Kleid die Hände ab.
    Bis dahin sind sie reif, sagte er. Sie reifen in der Tüte nach.
    Ich kann sie doch wahrscheinlich gar nicht besuchen, sagte sie nach einer Weile. Das ist doch bestimmt nicht erlaubt …
    Doch, sagte er. Ich habe mich erkundigt. Du wirst sie sehen.
    Sollte das Mädchen damit klarkommen, dachte er, als sie sich umdrehte und über das Gras ging. Sein ursprünglicher Plan – Della auf dem Schiff zu verstecken – war gescheitert, aber Della war immer noch Angelenes nächste Angehörige. Dellas Einsamkeit – ob sie es zugab oder nicht – existierte immer noch. Genauso wie Angelenes.
    Vielleicht war es Verlegenheit, Befangenheit, was das Mädchen bisher von Walla Walla ferngehalten hatte. Sie wusste wohl nicht, was sie zu Della sagen sollte. Dabei war das so unwichtig. Sie würde noch lernen müssen, dass man seine Verlegenheit überwinden musste, wenn man etwas ändern wollte. Er würde sie jetzt zu ihrem eigenen Besten dazu zwingen. Während er im Gefängnis saß, hatte er gehofft, dass sie selbst den Entschluss fassen würde, Della zu besuchen. Sie hatte es nicht getan, aber das war in Ordnung. Enttäuschend, aber in Ordnung. Das Mädchen war noch jung, sie brauchte einen Anstoß von außen.
    Wir alle brauchen Anstöße von außen, dachte er. Es hört nie auf.

    Wenn Angelene an die Strafanstalt in Walla Walla dachte, sah sie einen tristen und zugleich schlossähnlichen Zementbau vor sich, mit hohen Bergen ringsum, die den Bergen rund um Peshastin ähnelten. Die Gefangenen trugen marineblaue Uniformen, und wenn sie auf den kargen Hof traten, schauten sie vielleicht zum Gebirge hinauf und atmeten die kalte Luft ein.
    Sie wusste nicht, warum sie es sich so vorstellte, wo dieses Bild herkam. Walla Walla war gar nicht von Bergen umgeben – das wusste sie –, sondern von Wüste.
     
    In Walla Walla mietete sie ein Zimmer bei einer Frau, die ein graues Gesicht und eine tiefe Raucherstimme hatte, und fragte sie, ob die Strafanstalt zu Fuß zu erreichen sei. Ohne mit der Wimper zu zucken, erklärte die Frau ihr den Weg.
    Das Gebäude bestand aus gelben Backsteinen und war von einem zwölf Fuß hohen Stacheldrahtzaun umgeben. Angelene nannte dem Wärter am Eingang den Grund ihres Besuchs. Er winkte sie herein, noch bevor sie ausgeredet hatte, und sagte ihr, sie solle direkt ins Büro gehen. Haben Sie einen Termin?, fragte er noch, und sie schüttelte den Kopf, obwohl es nicht unwahrscheinlich war, dass Talmadge einen für sie vereinbart hatte.
    Doch sie ließen sie auch so zu Della. Ein weiterer Wärter führte Angelene in einen großen Raum, dessen hintere Wand mit lauter weiß getünchten Kabinen gesäumt war. Sie nahm in einer davon Platz und wartete, die Hände im Schoß, vor einer Trennwand aus feinmaschigem Draht. Sobald Della auf der anderen Seite hereingeführt wurde, trafen sich ihre Blicke, und Della schaute schnell weg. Langsam schlurfte sie in Begleitung des Wärters zu dem Stuhl. Setzte sich hin. Als der Wärter fort war, bedeckte sie ihr Gesicht mit den Händen. Es dauerte einen Moment, bis Angelene klar wurde, dass Della weinte.
    Schließlich ließ sie die Hände wieder sinken.
    Ich wusste nicht, dass du kommst, sagte Della mit einer Stimme, die Angelene kaum wiedererkannte: Sie klang rau, wie die eines Jungen. Vielleicht war sie gerade krank gewesen, dachte Angelene. Jetzt richtete Della den Blick verlegen über Angelenes Schulter, doch ihre Augen schossen immer wieder wie von selbst zu ihrem Gesicht. Schüchtern, dachte Angelene und erinnerte sich: Della war immer schüchtern gewesen.
    Plötzlich selbst nervös, packte Angelene den Strohhut auf ihrem Schoß. Sagte: Talmadge wollte auch kommen …
    Und sofort bereute sie diesen Satz, weil er Della bloß ins Bewusstsein rückte, dass Talmadge es nicht schaffte, sie zu besuchen.
    Doch Della wirkte nicht weiter bekümmert; sie blickte über Angelenes Schulter und nickte abwesend. Ein
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