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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)
Autoren: Emma Temple
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ein Arzt die Fürsorge übernahm – aber hier in der Wildnis war alles doppelt so schlimm. Die Hoffnung, diese tiefen Wunden mit ein paar Kräuteraufgüssen heilen zu können, musste vergeblich sein. Zu allem Überfluss lag ihr Mann immer noch im eiskalten Regen, der auf sie herabprasselte.
    Trotzdem. Noch lebte David – und er sollte nicht einfach so hier im Dreck verrecken. Entschlossen griff sie an seinen Arm. »Komm, Gregory. Wir bringen ihn ins Haus, er muss ins Trockene. Er sollte es wenigstens warm haben …«
    In diesem Augenblick flatterten Davids Lider erneut. Er öffnete die Augen. Mit einer Hand tastete er über Brust und Bauch. Als er den merkwürdig verformten Brustkorb spürte, biss er sich auf die Lippen. Dann sah er die beiden Menschen an, die sich über ihn beugten.
    »Es geht zu Ende. Widersprecht nicht, ich weiß es … Und ihr auch.« Sein Blick suchte Anne. »Du wirst glücklicher mit ihm als mit mir. Ich habe euch gehört … Ich weiß deine Treue zu schätzen. Leb dein Leben mit deiner großen Liebe … bekomm seine Kinder für dieses wunderschöne Fleckchen Erde …«
    Anne schluchzte auf. »Ich wollte nicht, dass du es weißt. Du bist mein Retter …«
    »Ich habe eure Blicke gesehen … Aber … du hast mich glücklich gemacht …«
    Er sah zu Gregory. »Pass auf sie auf.« Er hustete. »Und … auf meine Tochter.«
    »Es soll ihr an nichts fehlen. Ich werde mich um sie kümmern, als sei sie mein eigen Fleisch und Blut«, versprach Gregory mit heiserer Stimme. »Ich verspreche es, ich mache hier an deiner Stelle weiter – und ich werde dafür sorgen, dass Anne kein Unheil widerfährt.«
    »Charlotte …« David rang nach Luft. »Bring sie.«
    Anne nickte, sprang auf und lief über den weichen Waldboden auf ihr kleines Haus zu. Der Regen peitschte ihr ins Gesicht. Immer wieder stolperte sie und stürzte, als sich eine Ranke um ihren Knöchel schlang. Es kam ihr vor, als hätte sich die Natur gegen sie verschworen und wollte nicht, dass sie möglichst schnell mit Charlotte zu ihrem sterbenden Mann zurückkehrte.
    In der Zwischenzeit nahm Gregory Davids Kopf behutsam hoch und bettete ihn auf seinen Schoß. Er strich dem älteren Mann hilflos über die Stirn. »Du hättest dich nicht an meiner Stelle unter den Baum werfen sollen«, murmelte er. »Du hast doch von einer Zukunft mit Anne geträumt, warum nur hast du das einfach weggeworfen. Ich müsste hier an deiner Stelle liegen, und du könntest dich freuen: Niemand mehr, der dir im Weg steht, wenn du Annes Herz gewinnen willst.«
    »Annes Herz ist … schon lange vergeben. Eine Frau wie sie verschenkt es nicht zweimal.«
    »Aber deine Zukunft …«, begann Gregory.
    Die Andeutung eines Kopfschüttelns brachte ihn zum Schweigen. »Ich wollte … keine Zukunft ohne Anne. Einfach aus der Bucht segeln – nein. Aber gerade eben … ich wusste, dass ich dich retten … Für mich …Für Anne …«
    Gregory sah auf die Wunden, aus denen weiter unablässig Blut quoll. Der große Wal an Davids Oberkörper schien noch deutlicher auf der leichenblassen Haut hervorzutreten. Für einen Augenblick bildete Gregory sich ein, dass das Tier mit einer einzigen mächtigen Bewegung abtauchen würde. Er zwinkerte, um die Regentropfen aus seinen Augen zu drücken.
    Schwer atmend tauchte Anne wieder auf. In ihren Armen, in eine dicke Decke gehüllt, mit rosigen Bäckchen und verschlafenem Gesicht, lag Charlotte. Anne ließ sich neben David fallen und nahm ihre Tochter auf den Schoß, damit David sie sehen konnte. Sein Röcheln wurde lauter, mühsam hob er seine blutverschmierte Hand und strich ihr über die weiche Wange.
    »Sie soll … ein guter Mensch … Versprecht ihr mir …«
    Anne nickte. »Das verspreche ich dir.«
    Und Gregory fügte hinzu: »Wir werden ihr sagen, was für einen großartigen Vater sie hatte …«
    Davids Augen fielen zu, seine Hand suchte die kleine Hand seiner Tochter. Die war inzwischen richtig wach geworden und sah sich ihren Vater mit großen Augen an. Es wirkte fast, als würde sie begreifen, was da passierte, denn sie fing trotz der Kälte und Nässe nicht an zu weinen.
    Nicht bis zu dem Augenblick, an dem Davids Hand sich von ihrer löste und schwer nach unten fiel. Er hatte aufgehört zu atmen. Ihr kleines Gesicht verzog sich, und sie fing an, herzzerreißend zu schluchzen.
    Anne nahm ihre Tochter fest in die Arme und versuchte sie an sich zu drücken. Aber sie schlug nur um sich. Hilflos sah Anne Gregory
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