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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)
Autoren: Emma Temple
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leise: »Ja, ich liebe dich noch. Und ich werde es nur dieses eine Mal sagen und dann niemals wieder: Du bist und bleibst meine große Liebe.« Sie wandte sich ihm zu und nahm ihn in die Arme. Eine keusche, unschuldige Umarmung, bei der sie ihre Wange an seine Brust drückte und sich für einen Augenblick wieder wie ein vollständiger Mensch fühlte.
    »Danke«, flüsterte er in ihr Haar. »So kann ich weiterleben und weiß, dass ich alles richtig gemacht habe. Und keine Sorge – ich werde dir nie wieder zu nahe kommen.«
    Sie ließen nur langsam voneinander ab, und es wirkte so, als sei diese Umarmung mehr wert als jeder Kuss, der jemals getauscht worden war.
    Einen Augenblick lang verharrten sie und sahen noch einmal auf die Bucht unter ihnen. Keiner von beiden bemerkte die Tür, die hinter ihnen einen Spalt weit geöffnet war und sich jetzt leise wieder schloss.
    Nur wenig später heulte Charlotte im Inneren des Hauses auf. Anne raffte ihre Decke zusammen, drehte sich ohne ein weiteres Wort um und ging zu ihr. Zurück blieb Gregory, der in dieser Nacht noch lange dem stärker werdenden Sturm zusah. Der Winter war da. Aber in seinem Herzen war es jetzt wärmer als in vielen Jahren zuvor.

MARLBOROUGH, 1833

    33.
    »Fass mit an, sonst schaffen wir das nie!« David deutete auf einen schweren Balken, den sie gemeinsam an zwei Tauen als Dachgiebel auf der neuen Hütte an seinen Platz bringen wollten. Er und Gregory hatten schon den ganzen Morgen gekämpft, um dieses schwere Ding nach oben in die richtigen Fugen zu wuchten – aber es war ihnen immer wieder abgeglitten und zurück auf den Boden gepoltert.
    Anne sah auf den dunkler werdenden Himmel. Ein weiterer Sturm kündigte sich schon seit Stunden an, aber jetzt konnte er wirklich jede Sekunde losbrechen. Sie schüttelte den Kopf. »Das hat doch keinen Sinn mehr. Lassen wir diesen Sturm vorbeiziehen und machen uns dann morgen mit neuen Kräften ans Werk. Sonst riskieren wir nur, dass sich noch jemand verletzt.«
    »Blödsinn!«, knurrte Wilcox. »Was soll denn da passieren? Der Balken ist gut in seinen Tauen befestigt, er muss nur noch in die vorgesehenen Öffnungen rutschen, und wir sind mit diesem Haus so gut wie fertig. Dann müssen wir wirklich nur noch das Dach abdichten und können es für Gregory gemütlich machen. Das willst du doch auch, oder?«
    Anne konnte nur nicken. Wahrscheinlich ging es ihm lediglich um die traute Zweisamkeit. Seit Gregory in ihrem Haus wohnte, hatte sie alle Zärtlichkeiten von David abgelehnt – sie wollte sich einfach nicht vorstellen, wie sie Gregory nach einer Liebesnacht mit David ins Gesicht sehen sollte. Sie griff nach dem rutschigen Tau, das sich in ihren Händen wie eine feuchte Wurzel anfühlte.
    »Eins, zwei – und los!«, kommandierte David mit fester Stimme. Und tatsächlich hob sich der schwere Stamm, den sie erst vor wenigen Tagen von seiner Rinde befreit hatten, aus der nassen Erde, schwebte einen Moment lang über ihnen – und wurde dann von Gregory, der, so schnell er mit seinem lahmen Bein konnte, nach oben geklettert war, vorsichtig in die passende Öffnung dirigiert. Mit einem leise quietschenden Geräusch sank der Stamm an die für ihn vorgesehene Stelle.
    Anne trat zurück und wischte die schmerzenden Hände an ihrem Rock ab, als sie auch schon die ersten Tropfen auf der Stirn spürte. »Kommt, wir gehen jetzt rein! Ich mache uns allen einen heißen Kräutertee, wie klingt das? Und heute früh haben unsere Hühner gleich vier Eier gelegt, das sollte für uns alle reichen.«
    Störrisch deutete David auf den letzten Balken, der noch auf dem Boden lag. Nicht so schwer wie der vorherige, aber dafür um einiges länger. »Komm – Gregory ist jetzt schon hochgeklettert. Und wenn wir den hier an seinen Platz bringen, dann hat die Hütte sogar einen Giebel. Vielleicht schaffen wir es morgen oder übermorgen schon, dass Gregory endlich in sein eigenes Heim einziehen kann. Komm, das schaffen wir!«
    Weitere schwere Tropfen landeten auf Annes Gesicht. Sie schüttelte den Kopf. »Wir haben alle Zeit der Welt. Wir warten, bis dieser Sturm vorbeigeht – wenn wir Pech haben, dann wird daraus noch ein heftiger Wintersturm. Hagel und Schnee möchte ich nicht auf dem unfertigen Dach einer Blockhütte erleben!«
    »Quatsch! Komm schon … eins, zwei und drei!« Er sah sie auffordernd an, und wieder griff Anne zum Seil, das noch feuchter geworden war und ihren nassen und kalten Händen noch weniger Halt bot.
    Mit aller
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