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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)
Autoren: Emma Temple
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hauchte ihm einen unsicheren Kuss auf die Halsbeuge. Er fühlte sich wie ein kleiner Windhauch an, aber Gregory stockte der Atem. So lange hatte er sich nach einer Berührung oder einem Kuss von Anne gesehnt, dass es ihm jetzt fast wie die Erfüllung all seiner Träume vorkam. Er beugte sich vor und erwiderte den Kuss als leichte Berührung ihres Scheitels. Doch Anne wandte ihm genau in dieser Sekunde ihr Gesicht zu, und er traf mit seinen Lippen auf ihren Mund. Nur einen Atemzug lang währte der leichte Kuss – dann öffnete sie ihre Lippen, und sie verschmolzen zu einem Kuss, der sich für Gregory wie eine Einladung ins Paradies anfühlte. Er spürte, wie Annes Hand von seiner Brust zu seinem Bauch und dann noch tiefer glitt, und musste an sich halten, um nicht aufzustöhnen. War das die Wirklichkeit, oder hatte er in dieser dunklen Hütte nur einen wilden Traum?
    Sie rollte sich auf ihn und schob gleichzeitig sein Hemd nach oben. Dann liebte sie ihn mit einer Wildheit, die er noch nie bei einer Frau erlebt hatte. Er war sich nicht sicher, ob sie die Erinnerung an alles, was in den letzten Wochen passiert war, endgültig auslöschen wollte – oder ob sie einen Neubeginn in ihrem Leben feierte. Nach wenigen Momenten war ihm diese Frage völlig egal. Er gab sich ihren Küssen und ihren Liebkosungen hin und vergaß alle Sorgen – den Winter und den Toten im Grab. Er fühlte nur noch Annes Hände auf seiner Haut, ihren weichen Mund auf seinen Lippen, auf seiner Brust und auch sonst an allen Stellen seines Körpers. Gleichzeitig umschlangen ihn ihre Schenkel, und sie bewegte sich so langsam und überlegt, dass er mehr als einmal ein lautes Aufstöhnen unterdrücken musste – immerhin wollte er auf keinen Fall die kleine Charlotte wecken.
    Irgendwann hielt er es nicht mehr aus. Er drehte Anne auf den Rücken und übernahm die Regie in ihrem Liebesspiel. Und sie überließ sich seiner Leidenschaft, als ob sie ihr ganzes Leben und noch länger darauf gewartet hätte. Irgendwann waren sie eins mit dem Meer, dem Himmel und dem Wald, der sie umgab.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis er wieder zu sich kam. Eng an ihn geschmiegt lag Anne, die Augen geschlossen. Sie streichelte ihm in langsamen, trägen Bewegungen über den Rücken, seine Beine – und zögerte, als sie seine Narbe am Oberschenkel berührte. Vorsichtig strich sie darüber.
    »Tut es noch weh?«, fragte sie leise.
    »Die Wunde? Nein. Nur die Erinnerung daran, wozu ich mit diesem Bein einst fähig gewesen bin.«
    »Willst du erzählen, wie es passiert ist?« Im Dunkeln schien diese Frage fast selbstverständlich.
    Gregory holte tief Luft. »Ich habe Nathan Ardroy gefunden – und erkannt, was er mit den Mädchen macht, die er nach Neuseeland bringt. Ich habe Streit mit ihm gesucht und gefunden. Ihm ist das schlechter bekommen als mir, das kannst du mir glauben.«
    »Gut«, murmelte sie – und er konnte spüren, dass sie nickte. »So kann er seine Machenschaften wenigstens nicht mehr verfolgen, das ist wichtig. Ich möchte mir nicht vorstellen, dass er immer noch in England Nachschub für Jameson besorgt.«
    Gregory zog Anne näher an sich. »Ich wünschte, ich hätte früher geahnt, welches Schicksal er sich für dich ausgesucht hat. Ich hätte …«
    »Schhhh.« Sie legte ihm den Finger an den Mund, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Das ist Vergangenheit. Und die sollten wir heute Nacht endgültig hinter uns lassen, meinst du nicht? Es wird Zeit, dass wir nur noch nach vorne sehen. Immerhin sind wir an einem der schönsten Orte überhaupt gelandet – egal, wie verschlungen der Weg hierher war. Unsere Kinder werden Neuseeländer sein, das ist alles, was zählt.«
    Gregory verschlug es für einen kurzen Moment die Sprache. »Unsere Kinder? Meinst du das wirklich?«
    Sie zog seinen Kopf zu sich herunter und lachte leise. »Ja, sicher. Wir haben hier doch genug Platz für ein paar Esser mehr – oder möchtest du etwa keine?«
    »Doch, sicher …« Er erwiderte ihren Kuss. »Nichts lieber als das.«

MARLBOROUGH, 1833

    35.
    Es herrschte Frühling. Langsam lief Anne über die Lichtung zu dem kleinen Pferch mit den Schafen. Die Sonne ging eben erst über den Baumwipfeln auf, Tau lag auf den Grashalmen, und die Luft war noch klar und frisch. Sie liebte diese Momente, wenn die Welt noch unberührt vor ihr lag und noch kein Wort oder Gedanke den Tag angekratzt hatte. Sie hatte Gregory schlafen lassen, als sie aufgestanden war. Ein Blick in Charlottes Bett
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