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Im Land der tausend Sonnen

Titel: Im Land der tausend Sonnen
Autoren: Patricia Shaw
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mir beigebracht. Wir haben auf privaten Soireen und Hausfesten vor adligem Publikum zusammen Szenen auf Englisch aufgeführt. Das war eine Zeit lang sehr gefragt, hat aber nicht viel eingebracht, deshalb hat er sich wieder aus dem Staub gemacht, nach England, vermute ich.
            Du glaubst mir nicht? Dann hör dir das an: … Doch glaubt mir, werte Herren, ich werde mich als ehrlicher erweisen als diese, die mehr Geschick zum Fremdsein haben. Irgendwie passend, findest du nicht auch, Freddy? Wirklich komisch. Wenngleich ich nicht glaube, dass du großen Geschmack an Komödien findest. Nicht mal an den zotigen. Ich dagegen mag solche Frechheiten, die Rollen machen Spaß, und das Publikum ist begeistert … je schmutziger, desto besser. Doch in solchen Rollen sind die Clowns heimisch, sie sind nichts für den ernsthaften artiste , es sei denn, er hat, wie der arme Otto … Ach, lassen wir das jetzt. Das war einmal …
            Heute, Freddy, my good chap … achte nicht drauf, ich übe mein Englisch … haben wir zu tun. Ich habe mir deine Bücher mal näher angesehen. Bestandsaufnahme, könnte man sagen.
            Zunächst einmal stelle ich mit Freude fest, dass du im Besitz englischer Grammatikbücher und eines Wörterbuchs warst. Also wusstest du, dass wir Englischkenntnisse benötigen würden? Guter Mann, die Bücher werden mir sehr von Nutzen sein. An diesem Unterricht nehme ich nicht teil. Wir veranstalten hier in der Kabine unseren eigenen Unterricht. Täglich.
            Dann … dein Handwerkszeug. Alles vorhanden. Vermutlich musstest du all diese Bücher studieren, angefangen mit der Bibel? Tut mir Leid, aber wir müssen von vorn anfangen. Ich will wissen, was darin geschrieben steht. Ich muss es sogar wissen, nicht wahr? Was nicht heißt, dass mich deine religiösen Theorien einen Scheißdreck interessieren, pardon, aber es liegt auf der Hand, dass ich vorbeten und über die lutherische … ich weiß … nonkonformistische Theologie sprechen muss, nein: predigen sogar.
            Nun, Friedrich, deinen Katechismus kennst du bestimmt, aber von der Kanzel herab schlage ich dich um Längen.« Er breitete die Arme aus. » Die ganze Welt ist eine Bühne, und die Männer und Frauen sind lediglich Schauspieler … Ich brauche nur die Texte, und die finde ich in deinen heiligen Büchern.
            Kommen wir nun zu all dem Kram, den du mit dir herumkarrst. Porträts von dir mit deinen Leuten … Andenken, wie nett. Doch die brauchst du nicht mehr.«
            Er zerriss die besagten Bilder und warf die Schnipsel in den Abfalleimer.
            »Empfehlungsschreiben, ja, die werden wir brauchen. Briefe von der Familie, nein.«
            Als er die Papiere durchsah, stieß er auf eine Anweisung des Dekans vom Lutherischen Seminar hinsichtlich des Auftrages, den Vikar Ritter zu erfüllen hatte.
            Er sollte auf dem Klipper Clovis den Hafen Maryborough im Staate Queensland, Australien, ansteuern und dort mit dem Küstendampfer weiterfahren zum Hafen von Bundaberg, etwa zwei Tagesreisen weiter nördlich gelegen. Dort sollte er sich bei Pastor Hans Beitz melden und seiner lutherischen Gemeinde als Hilfspfarrer dienen. Die sechzig in seinem Besitz befindlichen Mark sollte er Pastor Beitz gleich bei seiner Ankunft aushändigen. Das Geld stammte aus Spenden freundlicher Hamburger Pfarrkinder.
            »Oho, Friedrich. Das tut mir aber Leid.«
            In einem weniger förmlichen Brief wies der Dekan den Hilfspfarrer an, Pastor Beitz in jeder erdenklichen Weise zur Seite zu stehen, da dieser schon hochbetagt war und seine Freunde sich in Anbetracht des australischen Klimas um seine Gesundheit sorgten.
            »Hochbetagt? Mein Vorgesetzter? Das sieht nicht schlecht für uns aus, Friedrich, das heißt, wenn wir es lange genug in unserer Gemeinde aushalten. Falls wir überhaupt dort ankommen. Mal sehen, wie wir uns fühlen, wenn wir die Kanarischen Inseln erreicht haben. Vielleicht nehmen wir dann schon Abschied von diesem Schaukelpferd und gehen an Land.«
             
            Bevor sie von Bord gingen, befahl ein Offizier, die, »die auf dieser Insel an Land gehen wollen«, in den Salon, der gleichzeitig als Speiseraum diente.
            Die meisten der Passagiere zweiter Klasse folgten dem Aufruf, begierig darauf, für eine Weile dem Schiff zu entkommen und wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Alle
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