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Im Land der Katharerburgen : Leseproben & mehr (German Edition)

Im Land der Katharerburgen : Leseproben & mehr (German Edition)

Titel: Im Land der Katharerburgen : Leseproben & mehr (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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Inés“, platzte es aus ihr heraus, „du gehst im Frühling an den Hof von Carcassonne, heiratest an meiner Stelle den Mann, den … den ich liebe. So sieh mich nicht so verwundert an! Ja, ich liebe den Trencavel, seit mir Vater sein Bildnis geschenkt hat. Doch ich weiß auch“ – das versuchte sie nun sich selbst einzureden – „dass die echte Minne stets unerhört bleibt. Die Liebe, die keine Erfüllung findet, ist die wertvollste überhaupt, so steht es geschrieben.“ Verstohlen wischte sie sich eine Träne aus den Augenwinkeln. „Glaub mir, Inés, hinter all dem steckt der Cahors! Er hat der Mutter eingeredet, dass ich in Carcassonne der Häresie anheim fallen könnte. Aber er tut mir Unrecht! Ich verehre wie wir alle hier in Montpellier unsere Schwarze Madonna und bete fleißig den Rosenkranz. Ach, warum habe ich an Ostern nur nicht meinen Mund gehalten!“
    Der verzweifelte Ausbruch des Mädchens ging auf ein Ereignis zurück, das sich kurz nach den Begräbnisfeierlichkeiten für den Vater zugetragen hatte. Die dicke Blanche, die immer dann in der Küche half, wenn sich Gäste auf der Burg befanden, war in Verdacht geraten, eine Ketzerin zu sein. Im Beisein des Bischofs war es zu einer scharfen Befragung gekommen, in deren Verlauf es Alix gewagt hatte, aufzulachen. Sie hatte sich nicht beherrschen können, als Blanche in ihrer unnachahmlich trockenen Art behauptete, dass sie schon deswegen keine Ketzerin sein könne, weil sich die „Guten Leute“ – so bezeichneten sich die Katharer untereinander – üblicherweise weigerten, ein Huhn zu schlachten. Doch sie, die dicke Blanche, schlachte hier im Turm ständig Hühner und andere Vögel, hatte sie gesagt, auch damit es dem Herrn Bischof wohlergehe, denn von zarten Vögeln und Hühnern – das war die Stelle, an der Alix gelacht hatte – verstünde er etwas. Es war gekommen, wie es hatte kommen müssen: Blanche war aus dem Turm und Alix in ihre Kammer verbannt worden, wo sie sich heulend auf ihr Lager warf. Sie mochte Blanche und fand es ungerecht, dass man die tüchtige Frau aufgrund einer solchen Kleinigkeit bestrafte. Obendrein sah sie auch ihren eigenen Fehler nicht ein. Weshalb hatte sie nicht lachen dürfen? Der gute Vater hätte mitgelacht, wenn er noch am Leben gewesen wäre.
    „Es gibt keinen Zweifel“, sagte Alix mutlos zu ihrer Schwester, „der Bischof steckt dahinter. Und ich habe mir alles selbst zuzuschreiben. Geh du getrost nach Carcassonne, Inés, und werde glücklich dort, du bist mir die liebste unter all meinen Geschwistern!“
    „Oh, nein“, stieß nun die Kleine hervor, die gerade erst dreizehn geworden war. Sie begann mit flinken Fingern ihren Zopf neu zu flechten, damit Alix ihre Tränen nicht sah. „Du passt viel besser an den Hof von Carcassonne, du spielst Schach und die Laute, bist klug und geschickt. Du hast auch keine Angst, mit Fremden zu reden. Ich hingegen …“ Inés liebte ihre ältere Schwester abgöttisch und bewunderte sie über alle Maßen. Insgeheim hoffte sie sogar, an ihrer Seite nach Carcassonne ziehen zu dürfen, um immer in ihrer Nähe zu sein. Dass sie nun selbst Vizegräfin großer und bedeutender Ländereien werden sollte, erfüllte sie mit Stolz – aber noch mehr mit Angst. Und was war das Glück wert, das auf Kosten eines anderen Menschen ging?
    „Aber verstehst du denn nicht, Inés?“, versuchte Alix ihr zu erklären, „genau das trägt zu meinem Unglück bei! Das Schachspiel, die Laute! Ich soll den Bischof unterhalten, ihm die Viten der Heiligen vorlesen und andere fromme Geschichten. Er findet meine Gegenwart anregend! Das hat er mir selbst gesagt. Wahrscheinlich erträgt er den Gedanken nicht, dass ich bald nach Carcassonne gehe, an einen Hof, mit dem er obendrein zerstritten ist, weil dort Katharer leben.“

    Genug gejammert! Trotzig setzte sich Alix das sommerliche Kranzgebinde wieder auf den Kopf. Wer hatte wohl die dicke Blanche verständigt, dass sie ihr einen Abschiedskranz band? Petrus, der Koch? Oder gar der brave Pater Nicolas? Die Sänfte schaukelte heftig. Alix grübelte. Der Vorfall an Ostern trug zu ihrem Unglück bei, aber nicht allein. Es musste noch andere Gründe geben. Gewichtigere. Hing es vielleicht mit ihrer Stiefschwester zusammen? Marie war als einzige nicht gekommen, um sich von ihr zu verabschieden. Hatte Mutter sie wieder eingeschlossen? Die beiden hassten sich. Marie stammte aus der ersten, rechtmäßigen Ehe des Vaters, während sie – Alix und ihre jüngeren
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