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Im Koma

Titel: Im Koma
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ihrer hellen Haut und ihren feinen Zügen. »Versuch gar nicht erst, mir zu erzählen, dass du nicht Prom Queen beim Abschlussball deiner Highschool warst«, hatte Janine gleich bei ihrer ersten Begegnung gemeint. Casey hatte damals nur gelacht und geschwiegen. Sie war Prom Queen gewesen, außerdem Vorsitzende des Debattierclubs und Mannschaftsführerin des Schwimmteams und hatte überdies einen beinahe perfekten Notendurchschnitt, aber die Leute hatten sich schon immer mehr dafür interessiert, wie sie aussah und wie viel Geld sie besaß. »Irgendjemand hat mir gerade erzählt, dass dein Alter milliardenschwer ist«, hatte Janine bei einer anderen Gelegenheit bemerkt, und wieder war Casey stumm geblieben. Ja, es stimmte, dass ihre Familie beinahe obszön reich war. Es stimmte auch, dass ihr Vater ein berüchtigter Schürzenjäger war, ihre Mutter eine egozentrische Alkoholikerin und ihre jüngere Schwester ein Drogen konsumierendes Partygirl auf dem Weg zum echten Problemfall. Vier Jahre nach Caseys Examen waren ihre Eltern bei dem Absturz ihres Privatjets bei widrigem Wetter über der Chesapeake Bay ums Leben gekommen, womit ihre Schwester auch offiziell zum Problemfall wurde.
    Diese Gedanken nahmen Casey auch noch wenig später in Beschlag, als sie die South Street hinunterging, Philadelphias Entsprechung von Greenwich Village. Es war ein kunterbuntes Gemisch aus beißenden Essensgerüchen, schäbigen Tätowierungsstudios, hippen Lederboutiquen und Avantgarde-Galerien. Wahrhaftig eine Welt für sich, dachte sie, als sie South Philly erreichte und auf das große Parkhaus an der Washington Avenue zuging. Das war das Problem, wenn man in der Gegend essen ging - es war beinahe unmöglich, einen Parkplatz zu finden, und sobald man die South Street hinter sich hatte, die die Grenze zwischen Center City und South Philadelphia bildete, war man mehr oder weniger in i?ocA/-Territorium.
    Casey betrat das Parkhaus, nahm den Fahrstuhl in den vierten Stock und zog den Wagenschlüssel aus ihrer großen schwarzen Lederhandtasche, während sie auf ihr weißes Lexus-Sport-Coupe zuging, das am Ende des Parkdecks stand. In der Ferne hörte sie einen Motor aufheulen und blickte sich um, sah jedoch nichts. Bis auf die Reihen bunter Pkw war das Stockwerk völlig verlassen.
    Sie hörte den Wagen erst, als er schon fast über ihr war. Sie hatte den rechten Arm ausgestreckt, den Daumen auf dem Knopf der Zentralverriegelung, als ein silberner Van um die Ecke schlingerte und auf sie zugeschossen kam. Sie hatte keine Zeit mehr, das Gesicht des Fahrers bewusst wahrzunehmen oder auch nur festzustellen, ob ein Mann oder eine Frau am Steuer saß. Sie hatte auch keine Zeit mehr auszuweichen. Wie aus dem Nichts wurde sie durch die Luft gewirbelt und schlug mit einem lauten Schlag auf dem Boden auf. Ihr Kopf knallte auf den harten Beton, und sie blieb am Boden liegen, ihr Körper ein schlaffes Häuflein gebrochener Knochen.
    Der Van verschwand unverzüglich in den Straßen von South Philadelphia, und Casey Marshall versank im Nichts.

KAPITEL 2
    Sie öffnete die Augen in der Dunkelheit.
    Und nicht bloß gewöhnliche Dunkelheit, dachte Casey, bemüht, auch nur einen winzigen Lichtschein auszumachen. Es war das schwärzeste Schwarz, das sie je gesehen hatte, eine Mauer, undurchdringlich und dicht, über die sie nicht hinwegund an der sie nicht vorbeigucken konnte und die nicht den Hauch eines Farbtons oder Schattens erkennen ließ. Als wäre sie versehentlich in ein schwarzes Loch im Universum gefallen.
    Wo war sie? Und warum war es so dunkel?
    »Hallo? Ist da jemand?«
    War sie allein? Konnte irgendjemand sie hören?
    Sie erhielt keine Antwort. Casey spürte Panik in ihrer Brust aufsteigen und versuchte, sich mit ein paar tiefen Atemzügen zu beruhigen. Es musste eine logische Erklärung geben, und sie weigerte sich, ihrer Furcht nachzugeben, weil sie wusste, dass diese sich ausdehnen würde, bis kein Platz mehr für etwas anderes wäre. Ihre Angst war wie Gift, das in ihr Blut ausschüttet wurde und in jede Faser ihres Körpers vordrang.
    »Hallo? Kann mich irgendjemand hören?«
    Sie öffnete die Augen und blinzelte, Janines Tadel im Hinterkopf, dass Blinzeln Falten machte. »Janine«, flüsterte Casey, als sie sich vage an ihr gemeinsames Mittagessen erinnerte. Wann war das gewesen? Wie lange war das her?
    Noch nicht lange, entschied Casey. Hatte sie sich nicht eben noch von ihr verabschiedet? Ja, genau. Sie hatte mit Janine und Gail in der South
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