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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition)
Autoren: Peter Boehm
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Meter-Becken. Für Schwimmer waren sogar einige
Bahnen abgetrennt. Also setzte ich mich ein paar Abende die Woche
auf mein Fahrrad und radelte an die Uni.
    Es war nicht
einfach, die für das Schwimmbad nötige Ausweiskarte zu
bekommen. Ich brauchte ein Attest vom Arzt, das mir Gesundheit
bescheinigte. Und vom Bademeister, der mir die Karte schließlich
aushändigte, wurde mir eingeschärft, ich durfte nur mit
einer schwarzen Hose ins Schwimmbad, die (von oben gesehen) bis
übers Knie reichte.
    Ich besorgte mir
eine solche Hose. Sie reichte fast bis zu den Knöcheln und war
aus so dickem Stoff, dass sie dich runterzog wie die Heilige
Spanische Inquisition. Irgendwann gewöhnte ich mich aber an die
Hose und lernte sie sogar schätzen. Eine halbe Stunde lang halb
angezogen zu schwimmen war ein verdammt gutes Training. Und
überhaupt: All die anderen Schwimmer, auch die Kinder, hatten
solche schwarzen Trainingshosen an.
    Bei einem meiner
ersten Besuche brachte mich die Hose allerdings gleich in
Schwierigkeiten. Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen so ist,
aber ich dusche ganz gerne ohne Kleider. Ich war fertig. Ich war
drinnen, aber mein Handtuch war draußen. Ich stand in meiner
Kabine und überlegte. Jetzt noch einmal den nassen Hosensack
anziehen, auf den frisch gewaschenen Körper? Oder lieber
schnell kurz rausgreifen und das Handtuch reinholen? Schwere
Entscheidung...
    Ich presste die
Hose der Inquisition vorne in den Schritt, machte die Tür auf –
falsche Entscheidung, falsche Entscheidung – und wollte mich
gerade nach vorne beugen, um mein Handtuch zu greifen, als ich ihn
sah, ihn im Spiegel sah.
    Denn das muss ich
vorausschicken: Den Kabinen gegenüber in der Wand waren vier
Waschbecken eingelassen. Darüber erstreckte sich ein breiter
Spiegel.
    Dort sah ich ein
Auge blitzen und dann einen äußerst ärgerlichen
dreinblickenden Mann, sein Gesicht zu einer Fratze verzogen,
wahrscheinlich einen Professor oder einem Verwaltungsangestellten
der Uni. Schon hatte ich mein Handtuch im Griff und war flugs wieder
zurück in der Kabine.
    Und um auch das
gleich klarzustellen: Wie ich hat dieser Mann all das im Spiegel
gesehen. Wohlgemerkt: Nicht nackt hat er mich gesehen. Er hat
gesehen, dass ich nackt war, bzw. hinter der Hose nackt gewesen sein
musste. Das muss klar sein.
    Ich zog mich an und
wollte mich gerade auf den Weg nach draußen machen, als mich
der Bademeister im Gang abpasste. Er fragte mich, ob ich nackt in
der Umkleidekabine herumgelaufen sei. Es war ihm fürchterlich
peinlich, mit mir darüber reden zu müssen. Das war zu
sehen. Und mir auch.
    Nein, ich war doch
nicht nackt in der Umkleidekabine herumgelaufen, sagte ich. Also,
nein, Herr Bademeister. An der Al Imam Universität. Technisch
war ich ja auch nicht nackt. Unter unseren Kleidern sind wir
natürlich alle nackt, aber nur da.
    Na gut, sagte der
Bademeister. Jemand hätte ihm das nämlich so gesagt. Ich
solle auf jeden Fall so etwas nie tun. An der Al Imam Universität.
Also, nein! Würde ich nie, versicherte ich den Bademeister.
Würde ich nie, Herr Bademeister.
    Es hat ein bisschen
gedauert, aber irgendwann ist dann auch bei mir der Groschen
gefallen, was hier passiert war. Auch ich war ein Vader. Na, klar!
Auch ich musste unter einer schwarzen Hose versteckt werden. Ja,
klar, Vader lauerte überall. Ja, im Prinzip waren wir alle
Vaders. Natürlich. Für die Zwanghaften, aber nicht nur für
die. Ja, eigentlich war der Fratzenzieher selbst auch ein Vader.
Selbst er musste ja unter die Hose. Für andere, aber nicht nur
für die. Für sich selbst wahrscheinlich auch. Wenn er
nicht aufpasste, wurde er beim Anblick seines eigenen Hintern in
Versuchung geführt. Nicht nur von der Vorstellung von meinem.
    Aber selbst das war
nur die halbe Geschichte. Wenn man sie konsequent zu Ende dachte,
konnte man beim Anblick eines Autoreifens in Versuchung geraten. War
der nicht aus Gummi gemacht und Gummi wird aus Kautschuk gewonnen
und der wird bekanntlich von ziemlich muskulösen und oft leicht
bekleideten Arbeitern geernt... Aufhören!
    In Ordnung, wir
waren also alle Vader. Aber genauso waren wir auch alle Zwanghafte,
die von Vader in Versuchung geführt wurden. Das bedeutete:
Wegen meiner Vaderkeit musste der Fratzenzieher nach dem Schwimmen
wieder kräftig pumpen.
    Das war mir nun
klar. Wir waren alle Vader. Jetzt musste ich über solche
Vorfälle lachen. Aber damals, als ich im Königreich lebte,
war das kein Fez. Das war die Lehre, die das Königreich
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