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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition)
Autoren: Peter Boehm
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Paul
damals ins Krankenhaus gebracht, wären wir vielleicht in
riesige Schwierigkeiten geraten. Vielleicht mussten die
Krankenhäuser im Königreich Fälle von
Alkoholmissbrauch melden. Vielleicht machten sie sich strafbar, wenn
sie das nicht taten. Ich weiß es nicht, aber ein großes
Risiko wäre es allemal gewesen.
    Ich legte Pauls
Hemd auf sein Kissen. Das war ohnehin schon blutverschmiert und
legte ihn drauf. Er stierte immer noch kerzengeradeaus.
    Paul sollte sich
erst einmal ausschlafen, dachte ich. Morgen ging es ihm
wahrscheinlich schon besser. Klar, eine Schramme wird bestimmt
bleiben. Aber so schlimm wird es schon nicht sein, dachte ich und
ging schlafen.
    Ein, zwei Stunden
später kam Jack zurück. Ich erzählte ihm von Paul.
Zusammen gingen wir in sein Zimmer und schauten nach ihm. Jack hob
Paul an – dann sahen wir das Blut. Es war überall. Paul
lag in seinem eigenen Blut. In ziemlich viel davon. Das sah nicht
gut aus. Das sah überhaupt nicht gut aus.
    Jack pfiff durch
die Zähne und sagte gleich, in Ordnung, ich bin sofort wieder
da. Ich gehe mal kurz zur Apotheke. Ich bin gleich wieder da. Die
Apotheken waren gegenüber dem Krankenhaus und also auch nicht
weit. Ich wartete.
    Jack kam zurück
mit Verbandszeug und Schmerztabletten. Wir haben Paul gewaschen.
Paul machte Jack einen Druckverband. So als habe er das schon öfter
gemacht, gab er Paul laut Befehle, wie Pfleger im Altenheim ihren
dementen, schwerhörigen Patienten. Er sprach plakativ gut
gelaunt. Fachmännisch packte er Paul an den Handgelenken und
drückte dort einen bestimmten Punkt, erklärte er mir, um
zu sehen, ob Paul noch normal reagiere. „Du darfst dir vor dem
Patienten nicht anmerken lassen, wie schlimm es steht“, sagte
er zu mir gewendet. Dann flößte er Paul zwei
Schmerztabletten ein, legte ihn aufs Bett und sagte ihm, er werde
alle zwei Stunden nach ihm sehen. Als wir wieder im Wohnzimmer
saßen, haben wir erst einmal durchgeatmet.
    Paul erholte sich.
Sein Kopf heilte, aber unser Verhältnis tat das nicht. Durch
seine Kindsköpfigkeit hätte er uns beinahe in ernsthafte
Schwierigkeiten gebracht. Und sein zu ehrliches Geständnis ging
mir natürlich auch nicht aus dem Sinn. Wieso hätte er so
etwas erzählen sollen, wenn es nicht stimmte. Wenn seine
Volltrunkenheit irgendwas gezeigt hatte, dann dass bei ihm
wahrscheinlich noch so einige Leichen in den Gehirnfalten vergraben
waren. Und das warf doch so einige Fragen auf: Mit was für
Leuten arbeitete und wohnte ich hier eigentlich zusammen?, fragte
ich mich. Mit was für Leuten.
    Ein kleine Sache
gab den Ausschlag. Über die ständige Frage, dränge
ich Paul jetzt wieder meinen Willen auf, war ich weit hinaus.
Inzwischen sagte ich ihm völlig offen, was zu sagen war.
    Eines Nachmittags
kam ich nach Hause. Paul war nicht da. Erst am Abend habe ich
gemerkt, er hatte seine Sachen gepackt und war ausgezogen.
    So fand auch ich
den Ausgang. Ich hätte die Wohnung alleine bezahlen müssen.
Aber ich war nicht im Königreich, um in großen und teuren
Wohnungen zu leben. Ich war im Königreich, um den Dollar zu
scheffeln. Nur scheffelte ich den Dollar nicht. Natürlich hätte
ich mir auch eine kleinere Wohnung suchen können. Aber auch
deshalb war ich nicht im Königreich. Ich war im Königreich
anscheinend, weil ich meine Zeit als Notkrankenschwester für
Bizarroman vergeudete. So merkte ich schließlich, dass meine
Mission im Königreich beendet war.
    Ich war gerade
bezahlt worden. Mein Geld war sicher in Deutschland verstaut. Ich
hatte genügend recherchiert. Nun war die Zeit gekommen, einen
Abgang à la Königreich zu planen.
    Drei Tage später
schon tauchte ich nicht mehr zum Unterricht auf. Dann fand jemand
mein Büro leer, aber aufgeräumt vor. Der Schlüssel
für die Tür lag auf dem Schreibtisch. Ich saß schon
im Wartebereich des internationalen Flughafens, als ein Anruf von
meiner Agentur einging. Den ich nicht annahm. Etwas mehr als sieben
Stunden später war ich in Frankfurt am Main, erleichtert.
    Irgendwann, als ich
schon wieder ein paar Wochen in Deutschland war, erinnerte ich mich
an einen dieser lächerlichen Vorfälle im Königreich
wie nach dem Aufwachen an einen schlechten Traum. Ich war noch neu
im Königreich damals. Schon damals habe ich darüber
gelacht, aber seine Bedeutung verstanden habe ich erst später.
    Abends ging ich
schwimmen im Sport-Komplex der Al Imam Universität. Im Frühjahr
waren die Abende angenehm kühl in Riad und das Becken war ein
fünfzig
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