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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition)
Autoren: Peter Boehm
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Salafismus. Das ist der Glaube, dass alles gut
war unter dem Propheten und den ersten vier „rechtgeleiteten“
Kalifen im 7. Jahrhundert. Der Salafismus ist die Grundlage des
„perfekten islamischen Systems“.
    Deshalb dient das
Königreich für eigentlich alle
sunnitisch-fundamentalistischen Systeme als Vorbild. Nach dem Putsch
der Militärs 1989 in Karthum schauten Hassan Al Turabi und Omar
Al Baschir nach Saudi Arabien, um ihre Ideen zu verwirklichen. Die
Bundesstaaten in Nord-Nigeria wollten ein auf der Scharia
basierendes Gerichtssystem einführen? Im Königreich
konnten sie seine Umsetzung studieren. Die afghanischen Taliban
brauchten Geld? Also führten sie ihre pakistanischen Förderer
im Königreich ein. Auch wenn das Königreich heute sein
Rolle bei der Finanzierung der afghanischen Taliban herunterspielt,
Saudi Arabien war der bei weitem wichtigste Geldgeber der
Koranschüler, sei es durch staatliche Zuwendungen oder durch
die Gelder von nicht-staatlichen Wohlfahrtsorganisationen.
    Die Taliban
wiederum haben ihr berüchtigtes Ministerium zur Förderung
der Tugend und der Verhinderung des Lasters nach dem direkten
Vorbild der Kommission zur Förderung der Tugend und der
Verhinderung des Lasters geschaffen, der saudischen religiösen
Polizei.
    Osama bin Laden
wuchs im Königreich auf und wurde dort geprägt. Von seinem
Heimatland kehrte er sich erst ab, nachdem er 1994 dem saudischen
Königshaus vorgeschlagen hatte, von ihm zusammenzustellende
Freiwilligenverbände in die vom Irak bedrohten Grenzregionen zu
schicken. Das Königshaus, das 1980 bei der Besetzung der großen
Moschee in Mekka schlechte Erfahrungen mit radikalisierten
Freischärlern gemacht hatte, lehnte dankend ab und holte
stattdessen US-Truppen ins Land. Das löste den Bruch mit Osama
bin Laden aus: Die pro-westliche Außenpolitik des Königshauses
gab den Ausschlag, nicht die heimische Ordnung.
    Aber wie sieht es
aus, so ein perfektes System, heutzutage, in den Zeiten der
Informationsrevolution?
    Die Antwort gab
auch hier der Regen. Moderne Technologie und göttlicher Wille
koexistieren friedlich und schließen sich nicht aus. Natürlich
gab es auch in Saudi Arabien die Wettervorhersage. Und meine
Studenten verfolgten sie auch und trauten ihr. Sonst wären sie
ja ins Verkehrschaos geraten. Aber gleichzeitig waren sie auch davon
überzeugt, dass Gebete Einfluss auf den Regen haben.
    Fast jeden Tag
schreiben die saudischen Zeitungen über solche Probleme, wie
den Bau einer Kanalisation, die mangelnde Städteplanung, das
Versprechen einer U-Bahn, die dann doch nie kommt, ja, die
Unfähigkeit der saudischen Behörden überhaupt,
grundlegende kommunale Aufgaben zu bewältigen. Doch das
„perfekte islamische System“ in Frage stellen sie nie.
    Dieser Konflikt
zwischen islamischer Lehre und den Herausforderungen einer modernen
Wirtschaft und Verwaltung wird im Königreich jeden Tag
ausgetragen. Oft gewinnt das perfekte System, manchmal die Moderne.
Aber die Spannungen zwischen ihnen bleiben immer erhalten.
Willkommen im Königreich der Frommen.

HIER REGIEREN DIE ALTEN
    Der wohl mächtigste
Mann der arabischen Welt ist ein Greis. Bei einer seiner raren
Fernsehansprachen im Frühjahr 2011 erschien König Abdullah
äußert gebrechlich. Langsam hangelte er sich durch ein
paar Dekrete. Das Sprechen bereitete ihm sichtlich Mühe, nur
stockend konnte er ein paar Sätze vom Blatt ablesen. Nach ein
paar quälend langen Minuten war es endlich vorbei.
    Sein Alter sieht
man ihm jedoch gar nicht nicht an. Sein Mösenbart ist
tiefschwarz eingefärbt, und der weiße Shemagh, das Tuch,
mit dem er stets den Kopf verdeckt, verbirgt seine Vollglatze.
    Unmittelbar nach
der Ansprache wurde der traditionelle Säbeltanz der saudischen
Prinzen gezeigt. Der König zuckte mit den Schultern und tanzte
federnden Schrittes um die anderen Spätsiebziger herum. Seinen
Säbel schwang er mit Elan. Allerdings vergaß das
staatliche Fernsehen zu erwähnen, dass der Tanz vor ein paar
Jahren aufgenommen wurde. „Der König hat chronische
Rückenschmerzen“, sagt ein westlicher Diplomat. Er kann
keinen Säbel mehr schwingen.
    Während im
Frühjahr 2011 in anderen arabischen Ländern die alten,
verknöcherten Regime wankten, ist Saudi Arabien außer
Mauretanien bisher das einzige Land, in dem es keine Massenproteste
gab – die Ost-Provinz ausgenommen, in der eine große
schiitische Minderheit lebt. Dabei ist die gesamte Führungsriege
des Königreiches um die achtzig Jahre alt
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