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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition)
Autoren: Peter Boehm
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und entweder krank,
monatelang außer Landes oder gar völlig
regierungsunfähig.
    „ König
Abdullah kann täglich nur zwei oder drei Stunden die
Regierungsgeschäfte wahrnehmen“, sagt Simon Henderson vom
Institute for Near East Policy in Washington. Er ist der wohl am
besten informierte Beobachter der Königsfamilie.
    Das Alter des
Königs wird auf neunzig Jahre geschätzt. Bei seiner Geburt
machte sich in Saudi Arabien noch niemand die Mühe, etwas
aufzuschreiben. Deshalb ist sein genaues Alter nicht bekannt.
    Zum Jahreswechsel
2010/2011 musste der König eine Reihe von Rückenoperationen
über sich ergehen lassen und war deshalb mehrere Monate in den
USA. Für einen führenden saudischen Prinzen muss er aber
noch als vergleichsweise fit gelten. Sein Vorgänger König
Fahd erlitt 1995
einen Schlaganfall und war danach selbst bei öffentlichen
Auftritten manchmal nicht mehr bei Bewusstsein. Der heutige König
Abdullah musste damals das Land zehn Jahre lang als Kronprinz
regieren. Erst 2005, nachdem König Fahds Hülle endlich in
die ewigen Jagdgründe eingegangen war, wurde Abdullah
schließlich selbst König.
    Dann übernahm
die Rolle des guten, aber völlig abwesenden Geistes im Hause
Saud der Kronprinz Sultan. Nach einem von Wikileaks veröffentlichten
Bericht der US-Botschaft in Riad war er in den letzten Jahren „für
alle Aufgaben unfähig“. Laut Simon Henderson litt er
unter Altersdemenz und war in einem „vegetativen Zustand“.
Bevor er schließlich ins Nirwana des ewigen Lächelns
entschwebte, war Kronprinz Sultan neunundvierzig Jahre (in Zahlen:
49) Verteidigungsminister.
    Als König
Abdullah 2011 wegen der Rückenoperation mehrere Monate in den
USA behandelt wurde, schoben sie den dementen Kronprinzen in den
Saal der Minister und ließen ihn die Kabinettssitzungen
leiten. Er erkannte keinen der Anwesenden mehr. Im Herbst 2011 ist
er schließlich dahingesiecht.
    Dann wurde der
Innenminister Prinz Naif, der seit mehr als fünfunddreißig
Jahren (in Zahlen: 35) im Amt war, Kronprinz. Er galt als Hardliner
und Favorit des wahabischen Klerus. Lange wurde er als
wahrscheinlichster Nachfolger des Königs gehandelt. Nach nur
acht Monaten als Kornprinz ist auch er in die weiten Lüfte
entschwebt.
    Dann wurde Prinz
Salman, vorher achtundvierzig Jahre (in Zahlen: 48) lang Gouverneur
von Riad, Kronprinz und Verteidigungsminister. Mit seinen
siebenundsiebzig Jahren muss er unter den Al Saud fast als Jungspund
gelten.
    Bleibt natürlich
noch die Frage, wie die alten Weisen ihre Ministerien führen,
wenn sie doch Dauergäste im Sanatorium oder ausländischen
Krankenhäusern sind? „Die täglichen Geschäfte
werden von den Söhnen der Minister geführt. Das weiß
man“, sagt der Menschenrechtler und Demokratieaktivist
Mohammed Al Qahtani.
    Ja, das weiß
man. Die Ministerien und Gouverneursposten wurden nach dem Tod des
Gründerkönigs Abdulaziz Al Saud nach einem delikaten
Proporz an die Familien seiner Söhne verteilt. Thronnachfolger
wird im Königreich nämlich nicht wie bei europäischen
Adelshäusern der älteste Sohn, sondern die Nachfolge
wanderte (und wandert heute noch) von Abdulaziz' ältestem Sohn
zum nächstältesten. Das ersparte dem Königreich den
einen oder anderen Nachfolgestreit oder -krieg, hat aber den
Nachteil, dass die Herrscher immer älter werden. Außerdem
herrscht zwischen den Familien von Abdulaziz' Söhnen ein
fragiles Gleichgewicht, an dem zu rütteln äußerst
gefährlich wäre. Deshalb sterben die saudischen Recken im
Amt. Das ist für alle Beteiligten einfacher. Zur
Machtverteilung der Familien innerhalb des Königshauses aber
später mehr.
    Wenn sie sich
untereinander nicht streiten, haben die Al Saud Saudi Arabien fest
im Griff. Wie schon der Name des Landes andeutet, behandelt die
Königsfamilie Saudi Arabien mitsamt seinen zwanzig Millionen
Untertanen und zehn Millionen Gastarbeitern auch als ihr Eigentum.
Das sieht sie selbst aber nicht so. Die Al Saud würden vielmehr
argumentieren, sie halten einfach am Kodex der Beduinen fest, der
sich über die Jahrhunderte in der arabischen Wüste
entwickelt hat.
    Sie behandeln das
Land also nicht wie ihr Eigentum, nein, sie regieren es nur gemäß
ihrer Tradition. Unter den Beduinen war der Emir nämlich immer
nur einer unter Gleichen. Alle Beduinen hatten stets das Recht,
ihren Emir zu sehen und ihm ihre Probleme vorzutragen. Lange war das
für Saudis der einzige Weg an ihr Recht zu kommen.
    Im März 2011,
als der „Arabische
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