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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition)
Autoren: Peter Boehm
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einige kaum
ein Wort. Deshalb sollten wir sie auf Vordermann bringen. In ihrer
richtigen Studienzeit wurden sie dann von saudischen Lehrern
unterrichtet. Auch in Englisch.
    Ich kam sehr gut
mit meinen Studenten aus. Sie waren unheimlich faul, in den letzten
paar Minuten vor dem Unterricht schrieben sie schnell noch die
Hausaufgaben ab, von jemandem der sie aus irgendeinem Grund selbst
gemacht hatte. Aber sie waren sehr respektvoll, sehr höflich
und sehr hilfsbereit. Sie machten mir das Leben nicht schwer. Das
wusste ich zu schätzen.
    Es gab allerdings
ein Problem. Wie das perfekte System eine ganze Menge kleiner
Monster hervorgebracht zu haben scheint, so hat sich der Nachwuchs
des Landes natürlich die entsprechenden Vorbilder gesucht. Vor
allem bei meinen Studenten an der Al Imam, aber nicht nur dort, war
das ein ganz besonderer Mann. Immer wieder einmal sprang einer
meiner Studenten auf, machte den Hitlergruß und erklärte
verzückt: „Ich liebe Hitler!“ Die anderen
applaudierten oder rissen begeistert die Arme hoch. Nach der Klasse
fragte mich ein Student, wo Hitlers Grab sei – er wollte es
besuchen –, ein anderer, wo Hitlers Sohn jetzt lebe. Er war
ganz enttäuscht, dass er ihn nicht kennen lernen konnte. Ich
werde es vermissen, das wohlige Gefühl, das einem nur die
Gewissheit geben kann, in einem Raum voller Hitler-Liebhaber zu
unterrichten.
    So ging das Leben
seinen Gang. Wie meine Kollegen verlor ich nach ein paar Monaten
meinen Abendjob an der Berufsschule. An der Al Imam mussten wir
jetzt auch nachmittags unterrichten. Das war ärgerlich. Aber es
war zu verschmerzen. Denn ich hatte eine Menge anderer Dinge zu tun.
Am Anfang schrieb ich Journalismus unter einem Pseudonym, voller
Angst, dass bald ein Zensor an meine Wohnungstür klopfen würde,
aber mit der Zeit wurde ich mutiger. Denn bald stellte sich heraus,
die saudischen Zensoren lasen keine deutschen Zeitungen. Sie lasen
auch keine österreichischen, schweizerischen oder
luxemburgischen Zeitungen. Ich würde mal schätzen, sie
verstanden überhaupt kein Deutsch – sonst wäre ich
in Schwierigkeiten gewesen. Für den „Independent“
hätte ich nicht schreiben können, das war klar, aber in
Deutsch hatte ich völlig freie Bahn.
    Schon nach ein paar
Wochen im Königreich wusste ich jedoch, dass ich den Rest
meines Leben nicht dort verbringen wollte. Ehrlich gesagt wusste ich
das, bevor ich hingegangen bin, dazu hatte ich zu viel über das
Land gelesen.
    Es gab einfach
immer wieder Dinge, die völlig unakzeptabel waren. Bevor der
Englisch-Goldrausch begann, waren Lehrer im Königreich in
sogenannten Compounds untergebracht. Das sind ummauerte Kolonien für
westliche Expatriates. Sie werden streng bewacht. Saudis dürfen
dort nicht rein. Denn dort gilt die strenge Ordnung des Königreiches
nicht. Kinder plantschen in großen Pools, Restaurants brauen
Bier, Frauen laufen in Bikinis herum, Nachbarn laden sich
gegenseitig zur Grillparty ein. Die Compounds wirken ein bisschen
wie große Kolonien mit ewigen Ferien, in denen die westlichen
Fachleute mit ihren Familien das warme Wetter und die Petro-Dollars
im Königreich genießen.
    Unsere Agentur
jedoch sparte sich die teure Unterbringung in einem Compound. In
unserem Apartment-Block galten die strengen Regeln des Königreiches.
Und das trieb die lächerlichsten Blüten. Zwei meiner
Kollegen und Freunde zum Beispiel liebten sich. Was willste machen.
Soll ja verkommen. Nennen wir sie Joe und Maria der Einfachheit
halber. Joe und Maria liebten sich also, aber sie konnten nicht
zueinander kommen. Das Management des Gebäudes hatte nämlich
Wind von ihrer Affäre bekommen und versuchte nun, ihren Vollzug
zu verhindern. Waren sie zu zweit allein in einer Wohnung, begann
das Telefon zu klingeln, kamen Angestellte und klopften an die Tür.
Das Management hatte seine Spione überall und sagte auch völlig
offen, dass es ein alleiniges Zusammensein von Joe und Maria in
einer Wohnung des Hauses nicht dulden würde.
    Wenn die beiden
zusammen in einer Wohnung waren, musste also immer ein Dritter
anwesend sein. Das wusste ich aber nicht. Diesen Part übernahm
meistens eine Freundin. Nennen wir sie Mary Joe der Einfachheit
halber.
    Als ich Joe und
Maria einmal in Marias Wohnung besuchte, kannte ich das volle Ausmaß
der Management-Unverfrorenheit noch nicht. Als ich kam,
verabschiedete sich Mary Joe auf jeden Fall, sie müsse mal
schnell weg, sagte sie, sie komme gleich wieder. Ich sagte, in
Ordnung, dachte mir
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