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Im Jenseits ist die Hölle los

Titel: Im Jenseits ist die Hölle los
Autoren: Arto Paasilinna
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schlüpfte ich durch den Briefschlitz in unsere Wohnung, denn obwohl die Öff­ nung für einen Mann meiner Größe nur winzig war, passte ich mühelos hindurch.
    Meine Frau stand am Herd und kochte Kartoffeln. Sie sah hübsch aus in ihrem blau gestreiften Kleid. Am Morgen hatte sie sich die Haare gewaschen und die Lippen geschminkt. Rein äußerlich wirkte sie ganz passabel, wenn sie sich nur ein wenig Mühe gab. Ihr Charakter war allerdings so eine Sache: Wenn sie wü­ tend war, wurde sie giftig und boshaft, sie war an­ spruchsvoll, kleinlich und hatte einen Hang zum Nör­ geln. Auch war sie, entgegen ihrer eigenen Meinung, nicht besonders intelligent.
    Irgendwie gefiel mir der Gedanke, dass ich tot war. Sehr glücklich war unsere Ehe ohnehin nicht mehr gewesen. Über kurz oder lang hätten wir uns wahr­ scheinlich scheiden lassen. Nun, da ich zufällig gestor-ben war, hatte sich unter anderem diese leidige Sache von selbst erledigt. So blieben uns der Gang zum Ge­ richt und die Aufteilung des Hausrates erspart, all das, was eine Scheidung so mit sich brachte oder mit sich nahm.
    Ich setzte mich aufs Wohnzimmersofa in die Nähe des Telefons. Bald würde der Anruf aus dem Krankenhaus kommen und meine Frau die traurige Nachricht erhal­ ten. Bis dahin würden die Kartoffeln fertig sein, viel­ leicht hatte sie dann auch schon zwei Teller auf den Tisch gestellt, die Tomaten geviertelt und das Brot ge­ schnitten.
    Die Kartoffeln kochten bereits, meine Frau stach mit der Gabel hinein, um zu prüfen, ob sie gar waren. Essen wirst du sie diesmal vermutlich nicht, Verehrteste, dachte ich. Schalte lieber rechtzeitig die Kochplatte aus, bald bekommst du einen Anruf.
    Dann klingelte das Telefon.
    Ich wollte schon an den Apparat stürzen und mich melden, im letzten Moment begriff ich jedoch, dass das nicht mehr möglich war: Wie sollte ein Geist den Hörer aufnehmen? Meine Frau eilte aus der Küche herüber.
    Aufgeregt dachte ich: Jetzt, verdammt noch mal, hörst du etwas absolut Sensationelles.
    Es war jedoch nicht der Anruf aus dem Krankenhaus. Ein Bekannter wollte mich sprechen.
    »Er ist noch nicht da, kann er vielleicht zurückru­ fen?«, fragte meine Frau.
    So etwas Blödes, wie sollte ich denn noch jemanden anrufen? Meine Frau notierte die Nummer und die Bitte um Rückruf auf einem Zettel und geriet dann, wie üb­ lich, am Telefon ins Plaudern. Sie kicherte, anscheinend machte es ihr Spaß, mit dem Anrufer zu sprechen. Ab und zu strich sie sich das Haar zurück, das ihr in die Augen gefallen war. Diese Geste hatte sie sich ange­ wöhnt, weil sie sie für sexy hielt. Geziert hielt sie den Hörer zwischen den Fingern mit den rot lackierten Nä­ geln, und das Gespräch wollte kein Ende nehmen. Ich wurde nervös: Das Krankenhaus versuchte sicher dau­ ernd durchzukommen, um die Nachricht von meinem Tod loszuwerden, und meine verflixte Frau hing am Telefon und blockierte die Leitung. Zum Glück war bald das Zischen überkochenden Wassers zu hören, sodass sie endlich das sinnlose Geplapper beenden, den Hörer auflegen und in die Küche eilen musste, um die Kartof­ feln zu retten.
    Dann klingelte das Telefon erneut.
    Ich war sicher, dass dies der Anruf aus der Klinik war. Meine Frau goss in der Küche die Kartoffeln ab und schimpfte ärgerlich, dass das Telefon dauernd klingelte und ihr keinen Augenblick Ruhe ließ. Es klingelte lange, aber da niemand abnahm, gab der Anrufer schließlich auf, und das Gebimmel verstummte.
    Die Nachricht, dass ich nicht mehr lebte, fand einfach keinen Abnehmer, nicht mal bei mir zu Hause. Dieser Todesfall kam mir immer sinnloser vor, ihm fehlte die Dramatik und Schicksalhaftigkeit. Dabei war ein ausge­ wachsener Mann gestorben, das sollte doch von Bedeu­ tung sein.
    Ich war schon im Begriff, die Wohnung zu verlassen, als sich endlich das Krankenhaus meldete und meine Frau erfuhr, was mir zugestoßen war. Sie hörte ungläu­ big zu und hielt den Anruf zunächst für einen ge­ schmacklosen Scherz, schließlich aber begriff sie, dass ich wirklich tot war. Sie wurde ernst, und ich glaubte, auf ihrem Gesicht einen Anflug von Erschütterung und Trauer zu erkennen.
    Nach Beendigung des Gesprächs rannte sie erst mal ins Bad, setzte sich auf die Toilette und pinkelte. Dabei blickte sie in den Spiegel und zog allerlei Grimassen. Anscheinend suchte sie nach einer Miene, die ihrer Meinung nach zu einer jungen Frau passte, die soeben Witwe geworden war.
    Meine Frau blieb lange im Badezimmer.
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