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Im Jenseits ist die Hölle los

Titel: Im Jenseits ist die Hölle los
Autoren: Arto Paasilinna
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Ambulanz fuhr zur Klinik von Meilahti, und mein Körper wurde hineingetragen. Im Behandlungszimmer untersuchte mich rasch der Dienst habende Chirurg und stellte meinen Tod fest. Man öffnete meine Aktenta­ sche, sie enthielt nichts Besonderes: ein paar Zeitungen, Notizen für einige Artikel, zwei Bücher, ein Glas mit eingelegten Zwiebeln.
    Ich habe eingelegte Zwiebeln immer gemocht. Meine Frau kaufte sie nie, sodass ich mir angewöhnt hatte, ab und zu selbst ein Glas mitzubringen. In diesem Moment ertappte ich mich bei dem Gedanken, dass wir, meine
    Frau und ich, gar nicht viel gemeinsam hatten. Wir hatten ein gemeinsames Bett, eine gemeinsame Adresse, und das war’s eigentlich. Obwohl – immerhin. Und nun hatte ich meine Frau also zur Witwe gemacht, nun war sie mich und meine eingelegten Zwiebeln los.
    Der Chirurg konstatierte, dass ich an einem Schädel­ bruch gestorben war. Etwas Ähnliches hatte ich mir schon gedacht, denn in meinem Kopf hatte es mächtig geknackt, als mich das Auto überfahren hatte. Der Arzt drehte mich auf die Seite, und aus meinem Mund floss ein wenig Blut auf die Trage – kein sehr angenehmer Anblick.
    Dann wurde mein Portemonnaie untersucht. Es war mir peinlich, zusehen zu müssen, wie mein Geld gezählt wurde, denn es war nur wenig: knapp fünf Euro. Ich war in jeder Hinsicht ein unbedeutender Leichnam. Hätte ich gewusst, dass ich gerade heute unter ein Auto gerate, hätte ich gleich morgens bei der Zeitung gekün­ digt und mir mein Gehalt auszahlen lassen. Das Geld hätte ich in mein Portemonnaie gesteckt, sodass ich zumindest kein bettelarmer Leichnam gewesen wäre. Vielleicht hätte sich der Portier oder der Arzt im Kran­ kenhaus ein paar Hunderter stibitzt? Derartiges war in Finnland bereits vorgekommen: Pathologen hatten den Toten Ringe, Uhren, Goldzähne gestohlen. Schließlich war Leichenfledderei insofern eine gut kalkulierbare und sichere Angelegenheit, als das Opfer den Täter niemals anzeigte.
    Im Büro füllte die Sekretärin ein Formular aus, meine persönlichen Daten entnahm sie meinem Pass. Ich beugte mich dabei über ihre Schulter und las mit. Nicht einmal sterben konnte man, ohne dass sofort diverse Formulare ausgefüllt wurden.
    Als die Sekretärin fertig war, erkundigte sie sich beim Arzt, ob sie jetzt die Angehörigen, in diesem Falle meine Frau, informieren solle. Kinder hatten wir ja zum Glück nicht.
    Der Arzt riet ihr, mit dem Anruf noch zu warten. Der Leichnam müsse erst gewaschen werden, ehe die Ehe­ frau benachrichtigt wurde.
    »Wir säubern ihn ein wenig und schieben ihn in den Kühlraum. Informieren Sie seine Frau in etwa einer halben Stunde«, sagte der Arzt.
    Jetzt war Eile geboten. Denn ich musste unbedingt anwesend sein, wenn zu Hause die Nachricht von mei­ nem Tod eintraf. Ich fragte mich, wie meine Frau wohl reagieren würde. Würde sie womöglich in Tränen aus­ brechen, sich vor Schmerz die Kleider vom Leibe reißen? Oder einen Schock bekommen und in verzweifelte Apa­ thie versinken? Wohl kaum – aber bald würde ich es wissen. Vielleicht würde sie wenigstens ein bisschen weinen. Immerhin war ich ihr Mann gewesen, das muss-te doch eigentlich eine gewisse Bedeutung haben!
    2
    Ich verließ das Krankenhaus. Im Handumdrehen war ich daheim in Kruununhaka. Meine Wohnung befand sich in der vierten Etage. Im Hausflur hielt ich Ausschau nach dem Fahrstuhl, der wie üblich nicht dort war, wo man ihn brauchte. Ich versuchte den Knopf zu drücken, doch die Automatik reagierte nicht. Daraus schloss ich, dass der Mensch körperlos wird, wenn er stirbt: Er sieht seinen Finger, den man dennoch nicht als Finger im üblichen Sinne bezeichnen kann.
    Ich kniff mir in die Wange und verspürte nicht den geringsten Schmerz.
    Auf der Treppe probierte ich dann noch etwas anderes aus: Ich ließ mich absichtlich auf die Stufen fallen, so schwungvoll ich nur konnte. Mir passierte überhaupt nichts. Es heißt immer, dass Betrunkene beim Fallen oft erstaunliches Glück haben. Geister anscheinend auch. Ein nicht vorhandenes Knie schwillt nicht an, und es sammelt sich kein Wasser darin. Und ein Geist be­ kommt auch keine Gehirnerschütterung, selbst wenn er seinen Kopf mit voller Wucht gegen Beton rammt. Zu­ frieden konstatierte ich, dass im Himmel offensichtlich keine Unfälle passierten. Sofern ich jetzt überhaupt im Himmel war.
    Ich horchte am Briefschlitz, ob meine Frau schon von der Arbeit gekommen war. Das Radio spielte, sie war also zu Hause. Entschlossen
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