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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter
Autoren: Stanislaw Lem
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gerichtet, auch wenn er historische Anleihen macht: “…, darum interessiert ihn die Zukunft aufs äußerste, die Vergangenheit aber nur insofern, als sie beitragen kann jenes Wissen von den kommenden Dingen herbeizuführen.” (Rottensteiner in: Marzin 1985, S. 88). Elemente der Vergangenheit haben nur die Funktion des Bühnenbildes; so werden beispielsweise tyrannische Systeme nicht direkt erkennbar an bestehende Systeme angeleht.
    Als Fazit läßt sich zusammenfassen, daß beide Autoren “cautionary tales” verfassen, in denen sie auf die Wirklichkeit hinweisen. Die Warnung ist ein Wesenszug dieser Erzählungen, so daß “cautionary tale” nicht als eine Untergattung der SF aufzufassen ist
    - ebensowenig wie SF eine Fortsetzung der Utopie ist, sondern nur die des utopischen Denkens.
    Die Warnung ist ebenfalls ein Merkmal der Engagierten SF (vgl. 2.4.), denn über die Gefahren des Abenteuers wird auf analoge Gefahren der Wirklichkeit hingewiesen. In den letzten drei Kapiteln wurde die Basis untersucht, von der aus die beiden Autoren ihre “Warnungen” aussprechen; dabei wurde deutlich, daß Amery sich auf eine fundiertere Basis stützen kann als Lem, da das rationale Element weniger von Spekulation abhängig ist, als bei Lem.
    8. Schlußbemerkung und Ausblick
    Die aktuellen Entwicklungen im SF-Markt zeigen ein neuerliches Ansteigen im Interesse an kybernetischen Themen, da KI und virtuelle Realitäten immer greifbarer werden. Ein Beispiel dafür sind die “Neuromancer” -Romane William Gibsons. Neben diesen Romanen erscheinen die Mahnungen Lems naiv: die Welt Gibsons ist voller Gewalt und Korruption, multinationale Konzerne kämpfen um Software, Hormone und Bioimplantate; sie werden wie die heutigen Drogen gehandelt. Diese “Cyberpunk”-Gesellschaft 7 zeichnet sich durch ein zunehmendes Wertvakuum aus, das sich fast auf den Grundwert “Leben” (in diesem Fall “Überleben”) reduziert. Gibsons Romane sind im Lemschen Sinne kein Aufbruch zu neuen Wegen, vielmehr zeigt sich in ihnen der Trend zu gewalttätigem Pessimismus, der sich auf dem SF-Markt durchzusetzen scheint 8 .
    Eine Perspektive, wie es besser werden könnte, eröffnet Gibson seinen Lesern nicht, vielmehr überzeichnet er Probleme der Gegenwart und läßt sie unhinterfragt im Raum stehen. Zum utopischen Denken gehört aber auch die Absicht, Perspektiven zu
    eröffnen 9 :
    “… die alten Anliegen der Utopie, nämlich die kritische Darstellung der eigenen sozialen und politischen Wirklichkeit, ihre Kritik anhand erfundener Welten - sie sind heute restlos unter das Etikett der SF subsummiert … “ (Amery 1991, S. 277).
    Das Öffnen von Perspektiven entspricht der in 2.4. erwähnten Möglichkeit der SF, Analogien zur Wirklichkeit über die Konstruktion von Modellen zu schaffen. Dabei geht es nicht darum, prognostische Aussagen über die Zukunft zu treffen (obwohl Lem gerne auch eine Spekulation wagt), sondern um die Veränderung und Erweiterung bestehender kognitiver Schemata (beispielsweise die Überwindung der anthropozentrischen Perspektive zu einer globalen Perspektive bei Amery und einer kosmischen Perspektive bei Lem). Vor allem in den Modellkonstrukten, deren Nähe zur Wirklichkeit direkt (wie bei Amery) oder abstrakt (wie bei Lem) sein kann, entwickelt sich eine didaktische Potenz für Engagierte SF. In 7.4. wurde versucht, diese eng bezogen auf die charakteristischen Merkmale der beiden Autoren darzustellen. Die Grundvoraussetzung für das Erkennen der didaktischen Potenz ist allerdings die Bereitschaft des Lesers, sich auf die Regeln und damit auf den Spielcharakter der SF einzulassen. Derjenige, der Fragen an die SF (auch an die Engagierte SF) stellt, wird schwerlich konkrete Anregungen für eine “Zukunftsbewältigung” bekommen. Vielfach findet er statt dessen konstruierte Konflikte und bizarre Theorien vor, die durch blinden Aktionismus um des Abenteuers willen gelöst werden. Die konkrete Utopie widerum hat sich überlebt, da sie viel zu schnell von der Wirklichkeit überholt wird. Den Forderungen von Pehlke und Lingfeld, SF müsse Widerstände gegen die Befreiung des Menschen als konkrete gesellschaftliche Kräfte entlarven (negative SF) und deren Überwindung schildern (positive SF) kann in diesem Umfang nicht entsprochen werden (Pehlke/Lingfeld 1970, S. 149), zumal dies auf Kosten des fiktionalen, spielerischen Charakters der Gattung geschehen müßte. Besser beschreibt der Begriff der “ausmalenden Prophetie” von
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