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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter
Autoren: Stanislaw Lem
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schädlich ansieht “wie jede Tätigkeit, die zur Nihilisierung der Werte beiträgt.” (Szpakowska in: Barmeyer 1972, S. 297). Lems Position zwischen Konvention und Innovation läßt sich am besten so beschreiben: “Lem sees some opening of the cultural space as necessary for a culture to evolve; but too much space destroys the norms that define culture.” (Hayes in: SFS Juli 1986, S, 296). Wesentlich weniger moderat ist die Position Amerys, der den Ausweg in einer radikalen Umkehr sieht; vor der anderen Möglichkeit, der Flucht “nach vorne” in eine falsche Freiheit, wird er nicht müde zu warnen. Es ist seines Erachtens kaum zu erwarten, daß die technische Evolution ihre Selbstregulation von sich aus vornimmt. Dazu bedarf es wertgeleiteter Normen, die die Entwicklungen steuern.
    Für das Spannungsverhältnis, in das der Mensch als kulturelles und als biologisches Wesen gestellt ist, sieht Amery folgende Problematik: der Mensch steht der übrigen Schöpfung gegenüber, die er versucht, sich zu unterwerfen. Er orientiert sich zunächst dabei an Werten, die beispielsweise aus dem Christentum stammen. Diese Werte werden schrittweise zurückgedrängt (vgl. 7. 2. und Botschaft 1994, S. 167), bis eine Sinnsuche oberhalb der Bedürfnisdeckung des Menschen eingestellt wurde (Amery läßt diese Entwicklung in der Aufklärung beginnen). Auf kultureller Ebene hat sich also die Menschheit so weit zurückentwickelt, daß sie auch die Fähigkeit zur Reflexion in den Dienst dieses einfachen biologischen Programms gestellt hat:    “Aber    was    mir    der
    ökologische Materialismus zu verheißen scheint, ist kein eschatologisches Jenseits …    . Es ist die
    Wiederherstellung der Kultur.” (Amery 1985 a, S. 368). Bei Amery bezeichnet der Begriff “Kultur” ein menschenwürdiges Verhältnis zum Leben wie auch zum Tod. Seiner Ansicht nach verschwendet die Menschheit zur Zeit ihre Erkenntnisse in einem biologischen Programm, das “der Bierhefe 2  oder des Schimpansen” (Amery-Interview 1995, S. 7) würdig ist, nicht aber des Menschen - denn dieser ist paradoxerweise dafür zu erfolgreich. “Die Todespanik ist dasjenige, wo die Biologie über zwei- bis dreitausend Jahre Philosophie gesiegt hat. Diese Niederlage gilt es rückgängig zu machen…” (Amery-Interview 1995, S. 7).
    An dieser Stelle divergieren die Vergleichspunkte von Amery und Lem: Amery untersucht die Kausalitäten möglicher geschichtlicher Ereignisse, auch wenn die Geschichtszeit dafür aus der Zukunft rückwärts laufen muß; Lem dagegen bleibt in der Zukunft, die sowohl Erlebenszukunft, als auch zeitlich völlig entrückt sein kann. Die Werte dieser neuen Welt wachsen mit den Anforderungen, die diese an sie stellt: “Lem has rejected traditional values and structures and is utilizing his rich imagination to cope with the problem of needing new values and to create a new world.” (Ziegfeld 1985, S. 19). Im Unterschied zu Orwell beispielsweise, der eine finstere, aber stabilisierte Zukunft beschreibt, sieht Lem sie als dynamischen Prozeß, in dem die technische Evolution eine unbestimmte Variabel der Zivilisation ist. Die Gefahr für die kulturellen Werte sieht Amery in der technologischen Falle, wenn traditionelle Politik und moderne Massenvernichtungsmittel, beispielsweise im Mißbrauch der Atomkraft aufeinandertreffen.
    Im Unterschied zu Lem ist Amery ein erklärter politischer Schriftsteller 3 ; die politischen Aussagen seiner SF-Romane korrespondieren deutlich mit den politischen und kirchenkritischen Essays. Im “Königsprojekt” wird (auf humorvolle Weise) das Machtstreben der katholischen Kirche zum Ziel der Kritik. Parallel dazu erschienen Amerys kritische Essays zur katholischen Kirche und zur Politik. “Was man einer angelsächsischen Demokratie ohne weiteres zumutet, nämlich die Atmosphäre der permanenten Selbstkritik auch in der Gebrauchsliteratur, das wäre hierzulande unerträglich.” (Amery 1967, S. 133). Schreibt Lem am liebsten für ein “erlesenes Lesepublikum”, so möchte Amery eine möglichst breite Öffentlichkeit erreichen; Ambitionen für eine bestimmte Gattung hat er im Unterschied zu Lem dabei nicht.
    Mitte der siebziger Jahre wendet Amery sich dann der ökologischen Frage zu; in diesem Sinn wertet Gottwald die Weltkatastrophe in “Passau” als ökologische Katastrophe 4 . Diese Interpretation geht am Kern des Kurzromans vorbei: die Weltkatastrophe reduziert die Bevölkerung, greift aber nicht
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