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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter
Autoren: Stanislaw Lem
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die Umwelt an. In den Satiren über MAMUS (Amery 1985 b, S. 129 - 144) gibt Amery in posterior in einer Fußnote Anhaltspunkte über die Ursachen der Katastrophe, in der er sich direkt auf seinen früheren Roman bezieht. Dort wird in der Form einer wissenschaftlichen Diskussion die Möglichkeit besprochen, die Menschheit mittels einer künstlich induzierten Seuche vor der Überbevölkerung zu retten.
    Für Lem ist das SF-Motiv der Katastrophe unfruchtbar; das Prinzip der Selbstbeschränkung, das für Amery so zentral ist, hat für ihn keinen Wert. Die menschliche Vernunft muß und wird weiterstreben, nur muß sie dabei so vernünftig bleiben, sich nicht selbst zu zerstören:
    “Mich interessiert, ob es überhaupt einen Faden der Ariadne gibt, ein Ende des Tunnels. Es gibt eine gewaltige Bibliothek der Science Fiction, in der lauter verschiedene Begräbnisse der Menschheit, wie das armselige Leben nach einem Atomkrieg, beschrieben werden.” (Interview in: Marzin 1985, S. 59/60).
    Noch 1984 äußert sich in diesem Interview Lem positiv zum Prinzip der atomaren Abschreckung: “Nun, ich glaube, daß wir ohne atomare Abschreckung schon seit Jahren tief in einem neuen Weltkrieg stecken würden. Das ist durchaus möglich, denn es gibt da schon eine Schwelle, die niemand zu überschreiten wagt.” (Ebd., S. 65) In diesem Problemfeld werden Amery und Lem zu ideologischen Antagonisten; beide haben aus dem erlebten Krieg völlig unterschiedliche Konsequenzen gezogen, was zur Vermeidung einer Wiederholung beitragen kann. Aus der Perspektive desjenigen, der einer Besetzung seines Landes zusehen mußte, ist die Haltung Lems verständlich - aber auch, wenn man seinen Glauben an die Vernunft berücksichtigt. Wie oben erwähnt, sieht Amery gerade in der Entwicklung der menschlichen Vernunft das Problem: auch die Fähigkeit zu Reflexion wurde in den Dienst der einfachen Bedürfnisdeckung gestellt. Im “Futurologischen Kongreß ” läßt Lem wie Amery zwei kritische Massen verschmelzen: die Probleme einer “Informationsdiktatur” und die völlig übervölkerte Welt der Zukunft. Die erste kritische Masse steht im Fokus, während die zweite nur als “Kontrastmittel” konzipiert ist, das die Kluft zwischen dem schönen Schein der Chemokratie und der apokalyptischen Wirklichkeit darstellen soll. An diesem Punkt entgleitet Lem der Text:    der
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    Eigenproblematik der zweiten kritischen Masse kann er mit Argumenten der Vernunft nicht mehr begegnen. Anders als die Katastrophe Amerys ist diese Katastrophe tatsächlich apokalyptisch; diese Menschheit kann sich nicht mehr selbst helfen. Nur durch die Traum-Rahmenstellung des Textes kann Lem diesen Fragen entgehen.
    7.4. Zwei Mahner
    “Lem has been careful since the 1950’s to disguise his critisism of the communist regime in the East, but anyone writing material as critical as his lives dangerously” (Ziegfeld 1985 S. 10). Ganz so einseitig war die Beziehung zwischem Lem und dem Kommunismus nicht, wie Ziegfeld es hier darstellt: in “Gast im Weltraum “, einem der frühesten Werke, beschreibt Lem die Reise kommunistischer Helden durch das All, die auf verabscheuungswürdige Reste amerikanischer Kultur in einer verlassenen Raumstation treffen. “Gast im Weltraum” (1955) erscheint nur als DDR-Ausgabe in deutsch. Der Roman enthält streng kommunistische Tendenzen, in denen die Amerikaner als Kriegstreiber dargestellt werden (vgl.: Marzin in: Marzin 1985, S. 44). Später distanziert sich Lem von diesen Werken, obwohl sich in diesem Roman schon Züge einer Futurologie ab zeichnen, die erst in Lems “dritter Phase” herausgearbeitet werden. Sein Interesse für ein direktes oder auch persönliches politisches Engagement scheint seit dieser Zeit erloschen zu sein. Rottensteiner interpretiert den Roman als eine Überreaktion Lems auf die Erlebnisse des II. Weltkrieges, denen er sein Bild sozialer Gerechtigkeit entgegenstellen wollte (vgl.: Rottensteiner in: Marzin 1985, S. 82/83).
    Im Unterschied zu Lem ist Amery immer auch ein erklärt politischer Schriftsteller geblieben (zur Zeit engagiert er sich besonders in der Energiepolitik, vgl. Amery- Interview 1995, S. 8). Abgesehen von seinem direkten Engagement bei den Grünen haben die Theorien, die er in seinem diskursiven Werk entwickelt - beispielsweise der ökologische Materialismus, oder der “Tod des Todes” - einen mehr oder weniger konkreten Hintergrund (sie sind auf mehrere Kontexte übertragbar). Dabei ist es
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