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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter
Autoren: Stanislaw Lem
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begründet seine umfassenden Forderungen damit, daß die sonst so vorrangige Wohlfahrt des Menschen nicht unbedingt im Einklang mit dem Erhalt der irdischen Heimat steht (Amery 1994, S. 16). Dennoch: “Wenn es auch nur die geringste Möglichkeit gibt, daß unser geringster Gedanke zu solchem Überleben beiträgt, ist der Ausweg der Resignation untersagt.” (Amery 1994 S. 18). Amery stützt sich auf die GAIA-
    Theorie 6 : Es existiert ein fließendes, stabilisierendes Gleichgewicht zwischen den belebten und unbelebten Dingen. Der Mensch entwickelt sich dabei zur “Katastrophe”, die dieses Gleichgewicht stört, zum einen durch seinen maßlosen Energiekonsum, zum anderen durch seine Vermehrungsrate.
    Der “Tod des Todes” und die damit verbundene Apokalypse ist Amerys “Botschaft des Jahrtausends”, die Warnung seines jüngsten diskursiven Werkes. Dabei warnt er gleichzeitig vor jeder Form von religiösem Fanatismus: “Brauchen wir eine solche Religion oder Religiosität überhaupt? Ist es nicht ökonomisch sinnvoller, alle anstehenden Gefahren und Möglichkeiten aus der ehrlichen Weltsicht heraus anzugehen?” (Amery 1994, S. 174). Künftige Religiosität muß nach Amery wieder zu einer Demut zurückfinden, in dem Wissen, nicht zur Krone der Schöpfung zu gehören; gleichzeitig darf diese Demut nicht zu einer Aufgabe der Souveränität der Gläubigen führen. Unter diesen Voraussetzungen können die “wunderbaren alten Werkzeuge” (Amery-Interview
    1995, S. 10) ihre Wirkung entfalten:
    “… wenn wir uns eine Vielfalt von künftigen Kulturen der Nachhaltigkeit wünschen, ist das überwölbende Dach einer gemeinsamen Religiosität von höchster Wirksamkeit. Und es ist gleichzeitig - übersehen wir das nicht! eine der wirksamsten, vielleicht die einzig wirksame Sperre gegen die große uns schlüssige Barbarei, die als Kennzeichen des XX. Jahrhunderts nicht wegzuleugnen ist.” (Amery 1994, S. 178)
    Ein Äquivalent dazu gibt es bei Lem nicht; die Vernunft, auf die er sich beruft, hat keineswegs nur altruistischen Charakter, sondern trägt in gleichem Maße zu der erwähnten Barbarei bei.
    Aber auch die zweite Basis Amerys, das Lernen aus der Geschichte, gibt den Theorien Amerys eine Geschlossenheit, die man bei Lem vermißt. Dieser konzentriert sich auf die Verarbeitung von Theorien der Naturwissenschaften, die an sich eine passende Metapher für die Zukunft zu sein scheinen, zum einen, da die Technologie ein nicht zu revidierender Faktor geworden ist, zum anderen, weil er in der an Natur und Kybernetik orientierten Technologie eine Chance für die Zukunft sieht. Der Begriff der Technoevolution, der für Lem zentral und seiner Ansicht nach für die kulturelle Zukunft bestimmend ist, läßt sich durch drei Axiome charakterisieren:
    1.    Die technische Evolution wird vorausgesetzt, eine Begründung ihrer Existenz wird von Lem nicht eigens expliziert.
    2.    Der Bezugspunkt der technischen Evolution ist die gesamte Menschheit, nicht Klassen oder Nationen.
    3.    Der Fortschritt der technischen Evolution ist determiniert, ein Stop oder ein Zurück ist unwahrscheinlich und nach Lem auch nicht wünschbar.
    Dennoch fehlt Lem eine Basis durch den Verzicht auf historische Dimensionierung. Das Problem, das sich ihm stellt, definiert sich durch die Dynamik der Entwicklungen. Wie er selbst feststellen muß, wächst der Wert der technischen Variabel schneller, als ihn die moralischen und ethischen Werte begleiten können. Darüberhinaus wird der Gehalt durch eine Flut von Informationen so komplex, daß er nicht mehr angemessen verarbeitet werden kann. (Im “ Kongreß ” zeigt sich, daß Lem das Problem erkannt hat, aber dennoch keine bessere Lösung als eine verantwortete technische Evolution anzubieten hat.)
    Schrittweise bemüht sich Amery, aus der Vergangenheit Werte für die Zukunft zu deduzieren, beziehungsweise auf die Aktualität verlorener Werte hinzuweisen, indem er Elemente, deren historisches “Verhalten” bekannt ist, durch verfremdende Kunstgriffe in einen neuen Kontext stellt (auf jeden Fall konzentriert er sich in seinen ersten drei Romanen auf diese Methode, wodurch sich diese Werke als SF definieren lassen; in späteren wird dies komplizierter, oder sogar unmöglich); leichter als Lem kommt er dabei in eine “Kassandra-Situation”, da der Rückgriff auf Altbekanntes nicht so attraktiv ist, wie der Vorstoß ins unbekannte Neue.
    Im Unterschied dazu bleibt der Blick Lems gerade nach vorn
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