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Im Herzen Rein

Im Herzen Rein

Titel: Im Herzen Rein
Autoren: Andrea Vanoni
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Wahrheit gar nicht blond, sondern blondiert. Außerdem stellt jede Rechtshänderin den Kaffeebecher automatisch rechts neben sich. Und als ihre innere Stimme ihr entgegenhielt, der Killer habe die Situation ja eben gerade deshalb so inszeniert, verdrängte sie diesen Einwand. Reine Fantasie, keine Realität. Sie startete ihren Mini Cooper und drehte die Musik von Pop auf Klassik.
    Sie fuhr nicht direkt ins Büro, sondern erst einmal in die entgegengesetzte Richtung, einfach, um zu fahren und abgelenkt zu werden. In ihrem Mini fühlte sie sich wohl, sie fuhr gerne herum. Neulich hatte sie gelesen, dass die Deutschen lieber Auto fahren als alle ihre europäischen Nachbarn, und fühlte sich mit dem Gedanken angenehm normal. Sie wollte noch ein Stück fahren und dann beruhigt ins Büro gehen.
    Sie hupte, als ein Auto vor ihr scharf bremste.
    Sie würde auf keinen Fall irgendjemandem sagen, dass sie den Eindruck hatte, der Täter würde sie spiegeln. So ein Verdacht, ohne Indizien, geäußert von einer Staatsanwältin, die neu in der Mordkommission war, würde sie in ein merkwürdiges Licht stellen. Nicht belastbar , wäre das Harmloseste; eher würde man sie für verrückt halten.
    Für sie war es selbstverständlich, dass Paula ihren Urlaub abbrach, aber sie war nicht sicher, ob sie heute noch kam. Aber auch ihr würde sie nicht sagen, wo sie ihre Mittagspause verbrachte. Vielleicht würde sich Paula daran erinnern. Im Radio kam der Wetterbericht. Es sollte weiter schön bleiben, obwohl es auch jetzt schon der wärmste Herbst seit hundert Jahren war. Sie hatte nichts dagegen, sie liebte blauen Himmel.
    Sie wendete und fuhr zur Staatsanwaltschaft. Als Erstes würde sie in das Aktenarchiv ihrer früheren Abteilung gehen, um alle Verurteilungen noch einmal durchzusehen. Wenn es tatsächlich jemand auf sie abgesehen haben sollte, dann könnte das Motiv Rache sein. Bei den Angeklagten, die ihre Krankheiten und Defekte mit Gewalt an Frauen ausgelassen hatten, hatte sie sich stets für ein hohes Strafmaß eingesetzt, und einige der Verurteilten hatten ihr übel gedroht. Damals hatte sie das kaltgelassen, aber jetzt fiel es ihr wieder ein.
    Sie drehte die Musik lauter, um den Gedanken zu verscheuchen, die Versetzung in die Abteilung für Mord könnte ein Fehler gewesen sein.

4
    »Eine Stahlnadel ins Herz?«, fragte er erneut.
    »Ja.«
    »Christiane, da hast du ja gleich beim ersten Mal einen wunderbaren Fall.«
    Fand sie nicht, aber bitte.
    »Und die Tauben - waren sie aus Plastik oder echt?«, fragte er interessiert.
    »Echt.«
    »Also präpariert. Gibt es Firmen, die solche Tierpräparationen machen?«
    »Weiß ich nicht.«
    Was für ein glücklicher Zufall, hatte sie gedacht, als sie auf dem Flur des Moabiter Gerichts in Hubertus Bach gerannt war. Die Koryphäe für Tätermotivation bei Mordfällen. Der Beste in Deutschland, wahrscheinlich in Europa.
    Sie kannte ihn vom Studium. Nach vielen Jahren hatte sie ihn vor drei Monaten hier im Gericht wieder getroffen. Er war zurückhaltend wie früher, hatte sie gesiezt und schien sich nicht besonders an die gemeinsame Zeit zu erinnern. Sie hatte ihn gefragt, wie lange sie sich nicht gesehen hätten. Dreizehn Jahre waren es gewesen. So lange, und er hatte sich kaum verändert. Er war immer noch der jungenhafte Typ mit den strahlend blauen Augen und trug noch das gleiche Eau de Cologne, das nach Zitrone und Thymian duftete.
    Hubertus Bach hatte eine erstaunliche Karriere gemacht, und dennoch ging wie damals Ruhe und Gelassenheit von ihm aus.
    Er bewohnte die Mansarde unter dem Dach und sie das Zimmer einen Stock tiefer; sie bereitete sich auf das Referendarexamen vor, und er schrieb an seiner Habilitationsarbeit. Sie trafen sich oft in der Küche der Vermieter, weil die Frau mit Krebs im Krankenhaus lag und sie abwechselnd dem Vater die Betreuung der beiden kleinen Kinder abnahmen. Da sie sich die Bücher in der Bibliothek ausliehen und mit nach Hause nahmen, konnten sie zugleich ein Auge auf die Kleinen haben. Hubertus machte das gewissenhaft und hatte, anders als sie, dabei keine Konzentrationsschwierigkeiten. Er konnte sich zweiteilen, und ihm gelang beides perfekt. So war auch seine Karriere weitergegangen - perfekt. Es dauerte nicht lange, da war er der jüngste Professor für forensische Psychiatrie in Deutschland, ging bald darauf in die USA, arbeitete mit dem FBI zusammen und löste einige spektakuläre Fälle. In den USA hatte sein Job darin bestanden, aus den Bauteilen
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