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Im Herzen Rein

Im Herzen Rein

Titel: Im Herzen Rein
Autoren: Andrea Vanoni
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hatten sie keine Chance. Doch hinter der freundlichen Fassade dieses Mannes verbarg sich die Hölle, in der sich Misshandlung und Missbrauch steigerten. Die Frau hatte Abgründe erfahren, die sie nicht einmal wiedergeben konnte, als Chris sie, unterstützt von einer Psychologin, stundenlang anhörte, um ihr zu helfen, sich aus dieser Verstrickung zu befreien. Es gelang ihr schließlich mithilfe von zwei Zeuginnen, den Kerl, der die Chilenin gefoltert hatte, für drei Jahre ins Gefängnis zu bringen. Ein Jahr Untersuchungshaft war bereits vergangen, als das Urteil rechtskräftig wurde. Chris rechnete damit, dass er mit guter Führung schon nach zwei Dritteln seiner Strafe auf freien Fuß kommen würde. Sie warf einen Blick auf das Datum des Urteils - dieser Zeitpunkt war bereits überschritten. Er könnte schon seit ein paar Monaten wieder draußen sein.
    Sie erinnerte sich, wie hoffnungslos Vilma de la Fuente dreinschaute, als zwei Wachleute ihren Peiniger nach der Urteilsverkündung abführten und er ihr noch etwas auf Spanisch zurief. Chris hatte sie anschließend danach gefragt. Es war eine Drohung gegen sie als Staatsanwältin gewesen, und Vilma hatte ihr geraten, das ernst zu nehmen. Ihr eigenes Schicksal schien ihr ohnehin besiegelt, sobald er wieder entlassen würde. Sie konnte es sich nicht anders vorstellen.
    Chris notierte sich den Namen des Verurteilten und auch die Anschrift Vilmas. Zur Mittagspause beschloss sie, nach Hause zu fahren, bevor sie Paula vom Zug abholen würde.

5
    Paula stand auf dem Bahnhof von Usedom und hatte noch fünf Minuten, bevor der Zug kam. Der Himmel war strahlend blau. Die Fähnchen auf dem kleinen Bahnhof flatterten im Wind. Sie atmete noch einmal die Meeresluft ein.
    Sie hoffte, dass Ralf die letzten Tage trotzdem noch genießen würde. Er könnte ihr dann alles erzählen - wer beim Frühstück war, wer am Strand, wie oft er gebadet hatte und ob die Eltern dem Kind einen neuen Ball gekauft hatten. Er beobachtete stets alles genau, weil er Fotos und Skizzen für seine Bilder machte.
    Außer ihr warteten nur eine Mutter mit zwei Kindern und eine alte Dame auf die Bäderbahn nach Züssow. Dort würde sie in den ICE nach Berlin umsteigen. Als der Zug hielt, half sie der alten Dame beim Einsteigen und setzte sich in den hinteren Teil. Ein Schwarm Möwen überflog den Zug in Richtung Meer.
    Nach dem Umsteigen saß sie allein im Großraumwagen. Es tat ihr leid, dass sie zu Ralf so schroff gewesen war. Aber wie hätte sie ihm sonst standhalten sollen? Ganz sicher verstand er als Künstler nicht, dass sie diesem Druck im Job nachgeben musste. Aber vielleicht würde er sie mit seinem beginnenden Erfolg mehr verstehen lernen.
    Sie lehnte sich zurück und schaute aus dem Fenster. Die Landschaft mit Wiesen und Maisfeldern glitt vorüber, und sie dachte daran, was sie in Berlin erwartete.
    Ihr Team rechnete erst Montag mit ihr. Ohne Chris’ Anruf säße sie jetzt nicht im Zug. Ein anderer Staatsanwalt hätte ihr nicht nahegelegt, den Urlaub abzubrechen, und aus dem Team hätte auch niemand darum gebeten; Justus schon gar nicht, weil er den Fall lieber ohne sie bearbeiten würde, und die anderen nicht, weil sie ihr den Urlaub nicht vermasseln wollten.
    Es war typisch für Chris. Ihr Ehrgeiz trieb sie in etwas hinein, und dann mussten gleich alle Mittel und Kräfte eingesetzt werden, um das Problem zu bewältigen. Aber in diesem Fall hing ihr Erfolg als Staatsanwältin von der Arbeit der Ermittler ab. Und natürlich wird sie wollen, dass ihr erster Fall in der Mordkommission schnell gelöst wird. Nur - wie wird sich das auf die Zusammenarbeit auswirken? Es wird nicht einfach werden, die richtige Abgrenzung zu setzen, dachte Paula besorgt.
    Sie nahm das Handy und rief Justus an.
    »Welchen Fall bearbeitet ihr gerade?«
    »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Paula, wir kommen klar.«
    »Was für ein Fall ist es?«
    »Wir sind noch am Tatort, um uns ein vollständiges Bild zu machen. Waldi spricht gerade mit der Frau, die die Tote entdeckt hat.«
    »War das die Obdachlose?«
    »Nein. Die ist im Krankenhaus, die hat gar nichts mitgekriegt. Aber was willst du? Das ist alles Routine.«
    »Die wesentlichen Fakten, Herbert«, sagte sie ungeduldig. Sie konnte förmlich sehen, wie er nach Luft schnappte. Natürlich, korrekt wie immer, in Anzug und Krawatte. Ihr war klar, dass er sich sträubte, sie jetzt schon zu informieren.
    »Du kommst doch erst Montag wieder.«
    »Die ermittelnde
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