Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Haus des Wurms

Im Haus des Wurms

Titel: Im Haus des Wurms
Autoren: George R. R. Martin
Vom Netzwerk:
Sternen.
    Aber sowohl die Sehkraft als auch sein Traumbild schienen verlorengegangen zu sein. Statt dessen schwebte ihm Canadas Schicksal vor Augen.
    »Nein«, hatte er in einem plötzlichen Anfall von Angst gesagt.
    Anschließend war er in die Station gegangen, wo er sich hatte übergeben müssen. Wenn er träumte, wurde er, am ganzen Körper zitternd, aus dem Schlaf gerissen.

    Brand ließ Robi mit ihrem Finsterling allein und suchte Trost bei seinem Engel.
    Dieses Wesen mit den weichen Flügeln, halb Mädchen, halb Frau, wartete schon auf ihn, wie immer, und freute sich auf seine Gesellschaft. Singend lag sie im Schlafnetz und kam sofort auf ihn zugeflogen, als er hereinkam.
    Er küßte sie innig, während sie ihre Flügel um ihn legte. Gemeinsam trudelten sie lachend durch die Kabine.
    In ihrer Umarmung schwand alle Furcht dahin. Sie verlieh ihm Kraft, Zuversicht und Mut. Sie betete ihn an und war leidenschaftlich, ja sogar leidenschaftlicher als Melissa.
    Wie die Unzertrennlichen, so war auch der Engel ein Wesen des Alls. Unter Schwerkraftverhältnissen versagten ihre Flügel, und innerhalb eines Monats würde sie unweigerlich sterben. Selbst in der Schwerelosigkeit hatten Engel nur eine kurze Lebenserwartung. Sie war sein dritter Engel, gezüchtet von Bioingenieuren, die genau wußten, wieviel ein Fallensteller für angenehme Gesellschaft zu zahlen bereit war. Da diese Wesen geklont wurden, glichen sie sich alle nicht nur äußerlich, sondern auch in ihrer zierlichen, betörenden, engelhaften Einfalt.
    Der Tod konnte für ihre Liebe keine Bedrohung darstellen. Streit genausowenig oder Untreue. Wenn Brand in ihren Armen ruhte, wußte er, daß sie immer für ihn dasein würde.
    Danach lagen sie nackt und träge im Schlafnetz. Der Engel knabberte an seinem Ohr, kicherte und streichelte ihn mit weichen Händen und noch weicheren Flügeln.
    »Woran denkst du, Brand?« fragte sie.

    »An nichts, Engel. Mach dir keine Sorgen.«
    »Oh, Brand.« Sie sah ihn mürrisch an.
    Er mußte lächeln. »Na schön. Ich dachte gerade daran, daß wir immer noch leben. Und das heißt, Robi hat offensichtlich den Finsterling in Ruhe gelassen.«
    Der Engel erschauerte und drückte sich fest an ihn.
    »Oh, du machst mir Angst. Sprich nicht vom Sterben.«
    Er spielte lächelnd mit ihrem Haar. »Ich habe doch gesagt, du sollst dich nicht sorgen. Ich laß dich schon nicht sterben, Engel. Ich habe schließlich versprochen, dir die Unzertrennlichen zu zeigen, erinnerst du dich?
    Und die Sterne. Wir fliegen heute zu den Sternen, genau wie die Unzertrennlichen.«
    Der Engel kicherte erleichtert. Sie war leicht zu versöhnen. »Erzähl mir von den Unzertrennlichen«, sagte sie.
    »Das habe ich doch schon so oft getan.«
    »Ich weiß. Aber ich höre dir so gerne zu. Und außerdem finde ich diese Wesen so hübsch.«
    »Ja, in gewisser Weise sind sie es auch. Sie sind zwar kalt und keine Menschen mehr, aber irgendwie doch hübsch. Sie bewegen sich sehr schnell und können in Räume vorstoßen, in denen andere Naturgesetze herrschen. Nenn es fünfte Dimension, Hyperraum oder wie du willst…«
    Aber der Engel sah ihn nur mit großen, fragenden Augen an.
    Brand lachte. »Ich vergaß, mit den Begriffen kannst du ja nichts anfangen. Nun, nenn es Märchenland, Engel.
    Die Unzertrennlichen haben ungeahnte Kräfte, wie die Finsterlinge, und mit diesen Kräften, diesem Zauber gelingt es ihnen, schneller als das Licht zu fliegen. Wir sind ohne diesen Zauber nicht annähernd so schnell, verstehst du?«
    »Warum?« fragte sie und lächelte naiv.
    »Hmmm. Nun, das ist eine lange Geschichte. Ein Mann namens Einstein hat einmal gesagt, daß wir dazu nicht in der Lage sind, Engel, und dieser Mann war sehr klug, und…«
    Sie schmiegte sich an ihn. »Ich wette, du könntest schneller als das Licht fliegen, wenn du nur wolltest, Brand.« Sie schlug mit den Flügeln, und das Schlafnetz schaukelte sanft.
    »Nun, das will ich ja«, sagte er. »Mit dem Ziel sind wir unterwegs, Engel. Du scheinst klüger zu sein, als du aussiehst.«
    Sie versetzte ihm einen kleinen Stoß. »Ich bin schrecklich klug«, sagte sie schmollend.
    »Ja«, lachte er. »Ich habe nichts anderes behauptet.
    Willst du nun mehr von den Unzertrennlichen erfahren oder nicht?«
    Sie war plötzlich wieder kleinlaut und sagte: »Ja.«
    »Na schön. Also, wie ich schon sagte, die Unzertrennlichen kennen einen Zauber, einen Trick. Nun wissen wir, daß sie Materie bewegen können – feste Dinge, Engel,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher